👼 Die Begegnung | Weihnachten | Adventgeschichte

Die Begegnung - eine Weihnachtsgeschichte
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

Ich habe mir neulich ein Weihnachtsmannkostüm bestellt. Die Bäume draußen trugen zwar noch ihr volles Blätterkleid. Doch man kann ja nie wissen. Haben ist besser als brauchen.
Bis Weihnachten war es noch ungefähr drei ein halb Monate hin, doch ich wollte halt auf Nummer sicher gehen.
Es dauerte nicht lange, da kam das kleine Paket an, und ich wollte sofort probieren, ob mir dieser Anzug passt. Meine kleine dreijährige Tochter hielt ihren Mittagsschlaf und ich den Zeitpunkt für gekommen, das Paket zu öffnen. Ich holte also Messer und Schere und öffnete besagtes Paket. Alles war gut vorhanden. Wie in der Bestellung beschrieben. Die Mütze, der Mantel mit zusätzlicher Kapuze (Da stehe ich ja drauf), eine Brille, ein großer, großer Rauschebart, ja sogar ein Gürtel, ein Jutesack und ein aufblasbarer Bauch war drinnen. Ich holte alles raus, legte es sauber auf den Tisch und begutachtete jedes einzelne Stück für sich aufmerksam und akribisch. Alles war top in Ordnung. Gute Qualität für einen guten Preis. Ich zog mir meine Jogginghose aus und zog stattdessen die Weihnachtsmann-Hose an. Oben rum war sie ein bisschen sehr weit, ich hatte allerdings noch den aufblasbaren Gummibauch, den ich mir auch sofort aufblies und umhängte. Stiefel hatte ich noch im Schrank. Gute schwarze, teure Lederstiefel, die ich bisher nur einmal getragen hatte. Alsbald legte ich mir den Bart an und setzte die Mütze auf. Dann zog ich den großen schweren roten Plüschmantel an. Noch die Brille auf und fertig war der Weihnachtsmann.

Irgendwo hatte ich sogar noch weiße Handschuhe. Ich ging ins Schlafzimmer und schaute in die Schublade. Tatsächlich, dort waren sie! Ich holte sie heraus und zog auch sie an. Alles fühlte sich gut an. Es passte alles und mit Gummibauch saß es wie angegossen. Jetzt wollte ich es wissen. Irgendwo musste auch noch so eine kleine Hotel-Glocke sein, die ich mal habe auf eine meiner Reisen mitgehen lassen. Ich bückte mich, um an die unterste Schublade zu kommen, denn dort vermutete ich die Glocke. Mit Gummibauch gar nicht so leicht… Ich kramte und kramte und fand sie nicht.
Ich stand mit dem Rücken zur Tür. Aber das nur am Rande …
Ich suchte also und suchte und war ganz vertieft in meine Suche, dass ich gar nicht merkte, wie hinter mir etwas raschelte.
Eine Tür klappte leise zu.
Da! Da war die kleine Glocke! Erfreut holte ich sie heraus und begutachtete mich mit Glocke, Bart und Weihnachtsmannmantel von allen Seiten im Spiegel. Ich drehte und wendete mich, war ganz in diesem Eindruck des coolsten Weihnachtsmannes gefangen … und blieb abrupt stehen! Mein Blick erstarrte! Die Hand, welche die Glocke hielt, sank an die Hosennaht …
Erschrocken, ja starr vor Schreck, schaute ich durch den Spiegel zur Tür und direkt in zwei kleine, ebenso erschrockene Kinderaugen.
Stille. Zeitlos.
Nur der laue Spätsommerwind raschelte in den Wipfeln der draußen stehenden Bäume.
Ich schwitzte. Nicht nur wegen der 26° C im Schatten.
Langsam drehte ich mich um.
„Was machst du hier?“ Das Kind hob streng eine Augenbraue.
Ich räusperte mich und stellte mich auf eine tiefere Stimme ein. Meine Tochter hatte mich tatsächlich nicht erkannt. Also jedenfalls nicht den Vater in mir. Den Weihnachtsmann hatte sie sehr wohl erkannt und nun streng im Visier, denn Papa hatte ja neulich erst erzählt, dass der gute Mann ja erst am Heiligen Abend kam, was noch ungefähr 60-90 mal Schlafen bedeutete. Wenn man den Mittagsschlaf mit ein rechnete, dann sogar doppelt so viel.
Und nun war er plötzlich da!
„Nun!“… stammelte ich… und entschied spontan, den Heiligen Abend vorzuverlegen, zumindest, was das Procedere anbelangte. „Wie heißt du denn, mein Kind?“ Ich runzelte die Augenbrauen, damit die Schwierigkeit größer wurde, mich zu erkennen und beugte mich etwas zu ihr hinunter. Sie stand wie ein Fels und antwortete wahrheitsgetreu. Ja mehr noch: Die Namen ihrer Eltern nannte sie gleich mit. Auch ihr eigenes Alter und was es heute zum Mittag gegeben hatte. In ihrem Redefluss kam sie ganz nach ihrer Mama.

Ich ließ sie ausreden und schwitzte.
„Und weißt du denn auch ein Weihnachtsgedicht oder ein Weihnachtslied?“ Nun hob ICH eine Augenbraue.
Welches Kind singt schon im Hochsommer ein Weihnachtslied? In mir reifte ein Plan. Wenn sie jetzt nix singen konnte, dann sollte sie auf ihr Zimmer gehen und in ihren Weihnachtsbüchern kramen, ob sie etwas fände. Derweil wollte ich mich geschwind umziehen und mir den Schweiß aus den Stiefeln kippen. Wenn sie dann wieder käme mit irgendeinem Weihnachtskram, könnte ich sie dann auf ein Wiedersehen nach 60 –
90 Mal schlafen (mit Mittagsschlaf doppelt so viel) vertrösten und wäre wieder der gute alte Papa.
Sie stellte sich gerade hin und hub mit glockengleicher Stimme an:
„Leise pieselt das Reh …“
Ich erinnerte mich … an diverse Parties. Nicht zuletzt am vergangenen, berauschten Weihnachtsabend hatte ich eine Verballhornung auf das schöne Traditionslied geschrieben und war ganz entzückt, dass es meine Tochter mit 2 ein halb Jahren schon einigermaßen intonieren konnte.
„… in den weißen Schnee …“
Wie sie da stand! Ganz ohne Angst, doch total Ernst. ICH WAR DA! Mit dieser doch eigentlich fassungslosen Angelegenheit ging sie ganz gut um, fand ich.
„…hör nur wie lieblich es knallt…“
Ich summte leise mit …
„… freu dich auf Rehrücken bald …“
Ich strich ihr mit der linken Hand über das Köpfchen.
„Das hast du ganz fein gemacht, mein Kind, Nun muss ich aber schnell wieder los zu den anderen Kindern! Wo ist eigentlich dein Papa?“
Da wurde ihr bewusst, dass sie ja die ganze Zeit allein mit dem Weihnachtsmann im Schlafzimmer ihrer Eltern stand und ein kaum wahrnehmbares Zittern ging über das kleine Gesichtchen.
„Kann es sein, dass dein Papa vielleicht noch im Keller ist? Ich hab ihn da vorhin noch gesehen!“
Betreten und nun mehr traurig werdend, schaute sie mich an und nickte.
„Dann werde ich ihn mal holen gehen, ja? Bleib‘ du so lange hier oben und warte!“
Wieder nickte sie sehr ernst und betreten.
„Noch 60 – 90 mal Schlafen. Dann komme ich wieder!“ hob ich einen weiß behandschuhten Zeigefinger, drehte mich um, stapfte in den Keller und hoffte, dass mich der Nachbar nicht auch noch sah.Holly Loose 

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