πŸŽ„ Die heilige Weihnachtszeit | eine weihnachtliche Geschichte | Peter Rosegger

Weihnachtszeit - Geschichte von Rosegger
Novellen - Kurzgeschichten - BΓΌcher - Daniela Noitz

Erdeboden ins eingeΓΆlt, der Himmel drΓΌckt ein Auge zu.
Und mich wollen jetzt, da ich diese Betrachtung beschließe, die Prosanen haben und die Frommen. Beide, um mich zu verbrennen. Ich entschlΓΌpfe den geringen Krallen wie ein Schmetterling. Ich liebe die Blumen. Und die holde, die selige Weihnachtszeit mit ihren heiligen Mythen ist eine Blume mitten im Winter des Jahres und des Lebens – eine Blume, die an meinem Busen blΓΌhen mΓΆge, wenn ich freie und wenn ich sterbe. Oder weiß einer von Euch Frommen und Prosanen im Himmel und auf Erden schΓΆneres zu denken, als eine junge keusche Mutter mit dem Kinde? Als ein Kind, das mit dem Fleisch gewordenen Wort: „Tue Gutes denen, die dich hassen; liebe deinen NΓ€chsten wie dich selbst“ die Welt erlΓΆsen will?

Über der Waldlandschaft liegt eine starre, blasse Winternacht. Am Himmel steht der Mond, aber der Schnee auf den FichtenbÀumen flimmert nicht, denn der Mond und die Sterne sind durch eine matte Wolkenschicht verdeckt. In solcher DÀmmerung sind die Hâhenrücken und die TÀler und Schluchten nur unbestimmt zu sehen, hier ragen die schwarzen Zacken der BÀume schÀrfer auf, weiterhin verschwimmen die Umrisse der Berge und BÀume teils in Frohlust, teils im Schleier eines sachte beginnenden Schneiens.
Durch diese Nacht zittert ein Klingen. Es kommt von allen Seiten her, es ist, als ob die Schneeflocken in der Luft klΓ€ngen. Es steigt von den TΓ€lern herauf, wo DΓΆrfer und Kirchen stehen, es sind die Glocken der heiligen Weihnacht.
Welch eine wunderbare Erscheinung an diesem Tage! Wenn eines Tages am Himmel zwei Sonnen stehen, so ist das Wunder nicht grâßer, als jenes, das sich am Weihnachtsfeste vollzieht. Das ist ein Tag, an welchem von all den eigennützigen Menschen keiner an sich, jeder an andere denkt. Einer den andern mit Freuden zu überraschen, mit Gaben zu überhÀufen, das ist das Ziel dieses Tages. Es ist kalter Winter, aber keinen friert, denn die Kerzen sind warm. Es gibt heimliche Arbeit Tag und Nacht, keiner ermüdet, keinen hungert, die Liebe zum Mitmenschen stÀrkt und sÀttigt alle. Es ist, als ob die Naturgesetze andere wÀren, und fast bangt man um das Gleichgewicht der Welt, da so plâtzlich alles in Freude ist, da so plâtzlich die Allgewalt der Charitas herrscht. Wenn ich am Morgen des Weihnachtsabends erwache und mein Auge auf den Christbaum fÀllt, der in Erwartung der nahen Jubelstunde still auf dem weiß gedeckten Tische steht, da werden mir die Augen feucht. O Weihnachtsfest, das du die Herzen der Menschen erweckest und mit himmlischem Maienhauch die Erde zum Heiligtum wandelst, sei gegrüßt! Sei gegrüßt, du gâttliches, du unbegreifliches Weihnachtsfest.

Der heilige Abend und der Christtag! Zwei Tage haben wir im Jahre, an welchem die Liebe herrscht, die vor nahezu zweitausend Jahren der Heiland geoffenbart hat. Wenn jedes neue Jahrtausend auch nur einen Tag der selbstlosen Liebe in das Jahr dazulegte, so brauchen wir nur mehr dreihundertdreiundsechzigtausend Jahre, bis die Erde – vorausgesetzt, dass sie so lange das Leben hat – ein Himmelreich ist.

Übrigens, wenn manche Leute das, was sie fΓΌr den „Himmel“ tun, ohne dass die Mitmenschen davon einen Vorteil haben, fΓΌr diese Welt und ihre Bewohner ΓΌben wollten, wir kΓ€men noch um ein Bedeutendes frΓΌher zum heiß ersehnten Reiche Gottes auf Erden. –
Ihr kennt die Geschichte, wie der arme Gregor hinausging in den Wald, um fΓΌr seine lieben Kinder ein ChristbΓ€umchen zu holen. Dabei ergriff ihn der FΓΆrster und ließ ihn als einen Dieb und Waldfrevler sofort in den Arrest stecken. Das bΓΌrgerliche Gesetzbuch sagt, der FΓΆrster hΓ€tte recht getan. Das ist mir schon ein VerdΓ€chtiger, der immer nur aufs bΓΌrgerliche Gesetzbuch schaut und auf nichts anderes. Wir tragen ein anderes Gesetzbuch in unserem Herzen. Als ich einst in jungen Jahren aus dem Waldhause in die Fremde ging, unwissend und unerfahren, nahm mich meine Mutter an der Hand und sagte: „Peter, wenn du einmal einem anderen etwas tun willst und weißt nicht, ob’s recht oder unrecht ist, so mache auf ein Vaterunser lang die Augen zu und denk‘, du wΓ€rest der andere.“ – Da habt ihr das Evangelium, den Katechismus und das bΓΌrgerliche Gesetzbuch in wenigen Worten beisammen.

Finden denn die Weihnachtsglocken nimmer Harmonie in unserer Seele? Heute ausgelassene Schenkfreude, morgen wieder Lieblosigkeit. WÀre denn die Treue, das herzliche Anschließen des Menschen nicht selbstverstÀndlich auf dieser Welt, wo die Elemente jede Stunde tausend Waffen gegen uns bereithalten? Wahrlich, es ist nicht klug, sich Feinde zu schaffen unter den Brüdern und hohlen Phantomen nachzujagen und Herzen zu verwunden die kurze Zeit, da wir das Sonnenlicht schauen über den GrÀbern. Die Lichter am Weihnachtsbaum, sie brennen genauso feierlich ernst und still, wie jene dereinst an der Totenbahre!

Peter Rosegger

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1 Kommentar zu β€žπŸŽ„ Die heilige Weihnachtszeit | eine weihnachtliche Geschichte | Peter Roseggerβ€œ

  1. Danke fΓΌr diese Tolle lange Geschichte Jetz bekomme ich mit,was mir in m meinerK indheit alles fehlte.Schade.Sehr schΓΆn, WENN man sich si etwas ,verinnerlichen kann,darf.
    Danke Mahababa πŸ€πŸŒŸπŸŒŸπŸ•―β­β­πŸ•―FΓΌr Dein MΓΌhn Herzlichst KARIN

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