Untertitel: Entdecke dein Lebensbuch

"Das Leben besteht nicht darin, zu warten, dass der Sturm vorbeizieht, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen."

Der Goldschatz – ein MĂ€rchen von Hans Christian Andersen

Der Goldschatz - ein MĂ€rchen von Hans Christian Andersen
Der Goldschatz - ein MĂ€rchen von Hans Christian Andersen

Des TrommelschlĂ€gers Frau ging zur Kirche; sie sah den neuen Altar mit den gemalten Bildern und den geschnitzten Engeln; die waren ganz wunderschön, sowohl die auf der Leinwand mit Farben und einen Heiligenschein als auch die in Holz geschnitzten, die angemalt und vergoldet waren. Das Haar strahlte wie Gold und Sonnenschein, wunderschön war das; aber Gottes Sonnenschein war doch noch schöner; der schien klarer, röter zwischen den dunklen BĂ€umen, wenn die Sonne unterging. Wunderschön war es, in Gottes Antlitz hineinzusehen! Und sie sah in die rote Sonne hinein, und sie dachte so vieles dabei, sie dachte an den Kleinen, den der Storch bringen sollte, und die Frau des TrommelschlĂ€gers war so glĂŒcklich in dem Gedankten, sie sah und sah, und sie wĂŒnschte, das Kind möchte einen Widerschein von all diesem Glanz bekommen, möchte doch wenigsten einem von den strahlenden Engeln auf dem Altarbild gleichen.

Und als sie dann ihr kleines Kind wirklich in den Armen hielt und es dem Vater hinreichte, da sah es aus wie einer von den Engeln in der Kirche, das Haar war wie Gold, der Schein der untergehenden Sonne lag darauf.

„Mein Goldschatz, mein Reichtum, mein Sonnenschein!“ sagte die Mutter und kĂŒĂŸte die strahlenden Locken; und es klang wie Musik und Gesang in des TrommelschlĂ€gers Stube; da war Freude und Leben und Bewegung. Der TrommelschlĂ€ger schlug einen Wirbel, einen Freudenwirbel. Die Trommel ging, die Feuertrommel ging:

„Rotes Haar! Der Junge hat rotes Haar! Glaub dem Trommelfell und nicht den Worten der Mutter! Trommelom! Trommelom!“

Man brachte den Kleinen in die Kirche, er wurde getauft. Er wurde Peter genannt; ĂŒber den Namen war nichts zu sagen. Die ganze Stadt, die Trommel mit inbegriffen, nannte ihn Peter, den TrommelschlĂ€gerjungen mit dem roten Haar; aber seine Mutter kĂŒĂŸte ihn auf das rote Haar und nannte ihn Goldschatz.

Im Hohlwege, an der steilen Lehmwand, hatten gar viele ihre Namen eingeritzt, zur Erinnerung.

„Ruhm,“ sagte der TrommelschlĂ€ger, „das ist immer etwas!“ Und dann ritzte er auch seinen Namen und den seines kleinen Sohnes dort ein.

Und die Schwalben kamen; sie hatten auf ihren langen Reisen dauerhaftere Schrift in den Felsabhang, in die Wand des Tempels in Hindustan eingeritzt gesehen: große Taten von mĂ€chtigen Königen, unsterbliche Namen, so alt, daß jetzt niemand sie mehr lesen oder aussprechen konnte.

Namenswert! BerĂŒhmtheit!

Im Hohlweg bauten die Schwalben; sie bohrten sich Löcher in den Abhang, Wind und Regen bröckelten und spĂŒlten die Namen hinweg, auch den des TrommelschlĂ€gers und seines kleinen Sohnes.

„Peters Name blieb doch anderthalb Jahre stehen!“ sagte der Vater. „Der Tor!“ dachte die Feuertrommel, aber sie sagte nur: „Dum, dum, dum! Dummelum!“

Es war ein Knabe voll Lust und Leben, dieser TrommelschlĂ€gerjunge mit dem roten Haar!“ Eine wunderschöne Stimme hatte er, er konnte singen, und er sang wie der Vogel im Walde; da war Melodie und doch keine Melodie.

„Er muß Chorknabe werden,“ sagte die Mutter, „in der Kirche singen und dort unter den schönen, vergoldeten Engeln stehen, denen er gleicht!“

„Feuerroter Kater!“ sagten die witzigen Köpfe in der Stadt. Die Trommel hörte es von den Nachbarsfrauen.

„Geh nicht nach Hause, Peter!“ riefen die Straßenjungen. „wenn du im DachstĂŒbchen schlĂ€fst, so brennt es im obersten Stockwerk, und die Feuertrommel geht!“

„Nehmt euch in acht vor den Trommelschlegeln!“ sagte Peter; und wie klein er auch war, ging er doch dreist drauflos und hieb gleich dem nĂ€chsten die Faust in den Magen, so daß ihm die Beine unterm Leib wegrutschten und die andern die Beine in die Hand nahmen, das heißt, die eigenen.

Der Stadtmusikant war so vornehm und fein, er war der Sohn eines königlichen Silberbewahrers; der fand Gefallen an Peter, nahm ihn stundenlang mit nach Hause, schenkte ihm eine Violine und lehrte ihn spielen; es war, als liege es dem Jungen in den Fingern, er wĂŒrde mehr als TrommelschlĂ€ger werden, er wĂŒrde Stadtmusikant werden.

„Ich will Soldat werden!“ sagte Peter; denn er war noch ein ganz kleiner Junge und fand, das Schönste in der Welt sei, ein Gewehr zu tragen und so gehen zu können: eins, zwei“ eins, zwei! und Uniform und SĂ€bel zu tragen. „Du sollst lernen, dem Trommelfell zu gehorchen! Trommelom! Komm, komm!“ sagte die Trommel.

„Ja, wenn er nur bis zum General hinaufmarschieren könnte,“ sagte der Vater, „aber dann muß Krieg sein!“

„Davor behĂŒte uns Gott!“ sagte die Mutter.

„Wir haben nichts zu verlieren!“ sagte der Vater.

„Ohne Arme und Beine!“ sagte die Mutter. „Nein, meinen Goldschatz will ich heil und ganz behalten!“

„Trom, trom, trom!“ Die Feuertrommel ging, alle Trommeln gingen. Es war Krieg. Die Soldaten zogen davon, und der TrommelschlĂ€gerjunge zog mit. „Rotkopf! Goldschatz!“ Die Mutter weinte; der Vater sah ihn in Gedanken schon ruhmbedeckt, der Stadtmusikant meinte, er solle nicht in den Krieg gehen, sondern bei der Musik daheim bleiben.

„Rotkopf!“ sagten die Soldaten, und Peter lachte; sagte aber einer „Fuchspelz!“ dann biß er den Mund zusammen und sah in die weite Welt hinaus, das Schimpfwort ging ihn nichts an.

TĂŒchtig war der Junge, frisch war sein Sinn und seine Laune froh, und das sei die beste Feldflasche, sagten die alten Kameraden.

In Wind und Regen, bis auf die Haut durchnĂ€ĂŸt, mußte er manch liebe Nacht unter offnem Himmel liegen, aber die gute Laune verließ ihn nicht. Die Trommelschlegel flogen: „Trommelom! Alle Mann auf!“ Ja, wahrlich, er war ein geborener TrommelschlĂ€ger!

Es war am Morgen der Schlacht. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die Luft war kalt, der Kampf war heiß, In der Luft hing Nebel, aber noch mehr Pulverdampf. Die Kugeln und Granaten flogen ĂŒber die Köpfe hinweg und in die Köpfe hinein und in die Leiber und die Glieder; doch vorwĂ€rts ging es. Hier und da sank einer in die Knie mit blutiger SchlĂ€fe, kreideweiß im Gesicht. Der kleine TrommelschlĂ€ger hatte seine gesunde Farbe noch; ihm war kein Haar gekrĂŒmmt; mit strahlendem Gesicht sah er dem Regimentshund zu, der vor ihm hersprang, so fröhlich, als sei das Ganze ein Scherz, als schlĂŒgen die Kugeln nur nieder, um mit ihm zu spielen.

„Marsch! VorwĂ€rts, marsch,“ so lauteten die Kommandoworte fĂŒr die Trommel; und die Worte waren nicht zurĂŒckzunehmen; aber sie konnten dennoch zurĂŒckgenommen werden, und es kann ein tiefer Sinn darin liegen. Und jetzt hieß es auf einmal: „RĂŒckwĂ€rts, marsch!“ aber da schlug der kleine TrommelschlĂ€ger: „VorwĂ€rts Marsch!“ Er hatte das Kommando so verstanden, und die Soldaten gehorchten dem Trommelfell. Es waren gute TrommelschlĂ€ge, sie verleihen denen, die im Begriff waren zurĂŒckzuweichen, den Sieg.

Leben und Glieder wurden in dieser Schlacht eingebĂŒĂŸt. Die Granate zerreißt das Fleisch in blutige StĂŒcke; die Granate zĂŒndet den Strohhaufen an, zu dem sich der Verwundete hingeschleppt hat, um viele Stunden, vielleicht fĂŒr dies ganze Leben verlassen dazuliegen. Es hilft nicht, darĂŒber nachzudenken! Und doch denkt man daran, selbst in weiter Ferne, in der friedlichen Stadt; dort dachten der TrommelschlĂ€ger und seine Frau daran: Peter war ja mit im Krieg!

„Jetzt hab ich das Gejammer satt!“ sagte die Feuertrommel.

Es war am Morgen der Schlacht; die Sonne war noch nicht aufgegangen. Der TrommelschlĂ€ger und seine Frau schliefen; sie hatten fast die ganze Nacht gewacht und von dem Sohn geredet; er war ja da draußen – „in Gottes Hand.“ Und der Vater trĂ€umte, daß der Krieg beendet sei, die Soldaten kehrten heim, und Peter hatte das silberne Kreuz auf der Brust; aber die Mutter trĂ€umte, sie komme in die Kirche und sehe die gemalten Bilder und die geschnitzten Engel mit dem vergoldeten Haar an, ihr eigener lieber Junge, ihres Herzens Goldschatz aber stand in weißen Kleidern mitten zwischen den Engeln und sang so herrlich, wie wohl nur Engel singen können, und mit denen hob er sich in den Sonnenschein empor und nickte seiner Mutter so liebevoll zu.

„Mein Goldschatz!“ rief sie und erwachte im selben Augenblick.

„Jetzt hat der liebe Gott ihn zu sich genommen!“ sagte sie, faltete ihre HĂ€nde, lehnte den Kopf gegen den Kattun-Bettvorhang und weinte. „Wo ruht er jetzt? Unter den Vielen in dem großen Grab, das sie fĂŒr die Toten graben? Vielleicht in dem tiefen Moor! Niemand kennt sein Grab! Kein Gotteswort wird darĂŒber gesprochen!“ Und ein Vaterunser glitt lautlos ĂŒber ihre Lippen. Der Kopf sank herab, sie war so mĂŒde und schlummerte ein.

Die Tage gehen dahin, im Leben und im Traum!

Es war gegen Abend; ein Regenbogen spannte sich ĂŒber der Walstatt aus, er berĂŒhrte den Wald und das tiefe Moor. Ein alter Aberglaube sagt: wo der Regenbogen die Erde berĂŒhrt, liegt ein Schatz begraben, ein Goldschatz; auch hier lag einer, niemand dachte an den kleinen TrommelschlĂ€ger außer seiner Mutter, und daher trĂ€umte sie das.

Und die Tage gehen dahin, im Leben wie im Traum!

Nicht ein Haar war auf seinem Haupte gekrĂŒmmt, nicht ein Goldhaar. „Trammeram, trammeram, da ist er!“ hĂ€tte die Trommel sagen, hĂ€tte seine Mutter singen können, wenn sie es gesehen oder getrĂ€umt hĂ€tte.

Mit Gesang und Hurra, mit SiegesgrĂŒn ging es heimwĂ€rts, als der Krieg beendet, als der Friede geschlossen war. Der Regimentshund sprang in großen Bogen voran, als wollte er sich den Weg dreimal so lang machen, wie er war. Und Wochen vergingen, und Tage vergingen, und Peter trat in die Stube der Eltern; er war so braun wie ein Wilder, seine Augen waren so klar, sein Gesicht strahlte wie eitel Sonnenschein. Und die Mutter hielt ihn in den Armen, kĂŒĂŸte seinen Mund, seine Augen, sein rotes Haar. Sie hatte ihren Jungen wieder; er hatte kein silbernes Kreuz auf der Brust, wie es der Vater getrĂ€umt hatte, aber er hatte seine heilen Glieder, was die Mutter nicht getrĂ€umt hatte. Und das war eine Freude! Sie lachten, und sie weinten. Und Peter umarmte die alte Trommel.

„Da steht ja das alte GerĂŒmpel noch!“ sagte er. Und der Vater schlug einen Wirbel drauf.

„Es ist wirklich, als wenn hier Großfeuer wĂ€re!“ sagte die Feuertrommel.

„Feuer im Dach, Feuer in den Herzen, Goldschatz! Rattatatat, Rattatatat!“

Und dann? Ja, was dann? Frage nur den kleinen Stadtmusikanten.

„Peter wĂ€chst ĂŒber die Trommel hinaus,“ sagte der, „Peter wird grĂ¶ĂŸer als ich!“ Und er war doch der Sohn eines königlichen Silberbewahrers; aber alles, was er in einem langen Leben gelernt hatte, das lernte Peter in einem halben Jahr. Es lag etwas so Frisches, so Herzensgutes in seiner Natur. Die Augen strahlten, und das Haar strahlte – das ließ sich nicht leugnen.

„Er sollte sein Haar fĂ€rben lassen!“ sagte die Nachbarin. „Der Tochter des Polizeisergeanten ist es so herrlich geglĂŒckt! Und sie hat sich auch verlobt.“

„Aber das Haar ist ja gleich nachher grĂŒn wie Entenflott geworden und muß nun fortwĂ€hrend aufgefĂ€rbt werden!“

„Das erlauben ihr ihre Mittel!“ sagte die Nachbarin. „Und Peter hat es ja auch dazu. Er kommt in die vornehmsten HĂ€user, selbst bei BĂŒrgermeisters, und gibt FrĂ€ulein Lotte Klavierstunden.“

Ja, spielen konnte er! Aus seinem Herzen heraus spielen, das schönste StĂŒck das noch auf keinem Notenblatt geschrieben stand. Er spielte in den hellen NĂ€chten, und er spielte in den dunklen NĂ€chten. Es sei nicht auszuhalten, sagten die Nachbarn und die Feuertrommel.

Es spielte, so daß die Gedanken sich emporschwangen und große ZukunftsplĂ€ne aufstiegen: Ruhm!

Und BĂŒrgermeisters Lotte saß am Klavier ihre feinen Finger tanzten ĂŒber die Tasten hin, so daß es in Peters Herz hineinklang; es war, als werde es ihm viel zu groß. Und das geschah nicht einmal, sondern unzĂ€hlige Male, und da umfaßte er eines Tages die feinen Finger und die schöngeformte Hand und kĂŒĂŸte sie und sah Lotte in die großen braunen Augen; der liebe Gott weiß, was er sagte, wir andern dĂŒrfen es erraten. Lotte errötete ĂŒber Hals und Schultern, nicht ein Wort sagte sie – im selben Augenblick kam Besuch des Etatsrats Sohn, der eine hohe, blanke Stirn hatte, die bis ganz nach hinten, bis in den Nacken hineinreichte. Und Peter saß lange bei ihnen und Lotte sah ihn am freundlichsten an.

Am Abend, daheim, sprach er von der weiten Welt und von dem Goldschatz, der fĂŒr ihn in der Violine liege: Ruhm!

„Tummelum, tummelum, tummelumsk! sagte die Feuertrommel. „Nein ist es ganz arg mit Peter! Ich glaube, es brennt im OberstĂŒbchen!“

Am nÀchsten Tag ging die Mutter auf den Markt.

„Weißt du das Neueste, Peter?“ sagte sie, als sie zurĂŒckkam. „Ganz was Wunderschönes!

BĂŒrgermeisters Lotte hat sich mit Etatrats ihrem Sohn verlobt; gestern Abend haben sie Verlobung gefeiert!“

„Nein!“ sagte Peter und sprang vom Stuhl auf. Die Mutter sagte aber: ja; sie hatte es von der Frau des Barbiers gehört, und der ihr Mann hatte es aus des BĂŒrgermeisters eigenem Munde.

Und Peter wurde bleich wie eine Leiche, und er setzte sich wieder hin.

„Großer Gott, was fehlt dir nur einmal?“ sagte die Mutter.

„Nichts, nichts! Laßt mich nur!“ sagte er, und die TrĂ€nen rannen ihm an den Wangen herab.

„Mein Herzensjunge, mein Goldschatz!“ sagte die Mutter und weinte, aber die Feuertrommel sang inwendig, nicht auswendig: „Lott ist tot, Lott ist tot!“ Ja, nun ist das Lied aus!

Das Lied war nicht aus, da waren noch viele Verse, lange Verse, die allerschönsten, der Goldschatz eines Lebens.

„Wie lĂ€uft sie wie verrĂŒckt herum und spielt sich auf!“ sagte die Nachbarin. „Alle Welt soll die Briefe lesen, die sie von ihrem Goldschatz kriegt, soll hören, was die Zeitungen von ihm und seiner Violine erzĂ€hlen. Und Geld schickt er ihr, das hat sie ja auch nötig, jetzt, wo sie Witwe ist.“

„Er spielt vor Kaisern und Königen!“ sagte der Stadtmusikant. „Das war mir nicht beschieden; aber er ist mein SchĂŒler, und er vergißt seinen alten Lehrer nicht.“

„Vater trĂ€umte einmal, Peter kĂ€me mit dem silbernen Kreuz auf der Brust aus dem Krieg nach Hause,“ sagte die Mutter. „Im Krieg hat er es nicht gekriegt, da ist es wohl sehr schwer zu kriegen! Aber nun hat er das Ritterkreuz! Das hĂ€tte Vater doch noch erleben sollen!“

„BerĂŒhmt!“ sagte die Feuertrommel, und die Geburtsstadt sagte es auch; der TrommelschlĂ€gerjunge, Peter mit dem roten Haar, Peter, den sie alle als kleinen Burschen mit Holzschuhen gekannt hatten, den sie als TrommelschlĂ€ger gesehen und der ihnen zum Tanz aufgespielt hatte, der war jetzt berĂŒhmt!

„Er hat uns was vorgespielt, ehe er vor Kaisern und Königen spielte!“ sagte des BĂŒrgermeisters Frau. „Er war damals ganz weg in Lotte! Er hat immer hoch hinaus gewollt. Damals war es unverschĂ€mt und töricht! Mein eigener Mann hat gelacht, als er von dem Unsinn hörte! Jetzt ist Lotte EtatsrĂ€tin!“

Es war ein Goldschatz in das Herz und die Seele des armen Kindes gelegt, das als kleiner TrommelschlĂ€ger „Marsch, vorwĂ€rts!“ schlug. Siegestöne fĂŒr die, die im Begriff waren, zu fliehen. In seiner Brust lag ein Goldschatz, ein Quell von Tönen, sie brausten aus seiner Violine, als steckte eine ganze Orgel da drinnen, als tanzten alle die Elfen einer Sommernacht ĂŒber die Saiten hin; daher rief er auch EntzĂŒcken in aller Herzen wach, und sein Name ward durch alle Lande getragen. Es war eine große Feuersbrunst, das Feuer der Begeisterung brannte lichterloh.

„Und dann ist er so schön!“ sagten die jungen Damen, und die alten sagten es auch; ja, die allerĂ€lteste schaffte sich ein Album fĂŒr berĂŒhmte Haarlocken an, nur um sich eine Locke von dem reichen, schönen Haarwuchs des jungen Violinspielers ausbitten zu können, einen Schatz, einen Goldschatz.

Und in das Ă€rmliche StĂŒbchen des TrommelschlĂ€gers trat der Sohn, fein wie ein Prinz, glĂŒcklicher als ein König. Die Augen waren so klar, das Antlitz war eitel Sonnenschein. Und er hielt seine Mutter in den Armen, und sie kĂŒĂŸte seinen warmen Mund und weinte so glĂŒckselig, wie man vor Freude weint; und er nickte jedem alten Möbel im Zimmer zu, der Kommode mit den Teetassen und den BlumenglĂ€sern darauf; er nickte der Bettbank zu, auf der er als kleiner Knabe geschlafen hatte; aber die alte Feuertrommel stellte er mitten in die Stube und sagte zur Mutter und zur Trommel. „Vater wĂŒrde heute einen Wirbel geschlagen haben! Jetzt muß ich es tun!“

Und er schlug ein wahres Donnerwetter auf der Trommel, und die fĂŒhlte sich so geehrt dadurch, daß ihr das Trommelfell zerplatzte.

„Er schlĂ€gt eine prĂ€chtige Faust!“ sagte die Trommel. „Nun habe ich doch fĂŒr immer eine Erinnerung an ihn! Ich denk mir, Mutter wird auch noch platzen vor lauter Freude ĂŒber ihren Goldschatz.“ Das ist die Geschichte vom Goldschatz.

Hans Christian Andersen

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