Der Springer – ein Märchen von Hans Christian Andersen

Der Springer - ein Märchen von Hans Christian Andersen
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

Der Floh, die Heuschrecke und der Springbock wollten einmal sehen, wer von ihnen am höchsten springen konnte. Deshalb luden sie die ganze Welt und jeder, der sonst kommen wollte, ein, die Pracht mit anzusehen, und es waren drei tüchtige Springer, die in der Stube zusammenkamen. „Ja, ich gebe meine Tochter dem, der am höchsten springt“, sagte der König, „denn es ist so armselig, wenn diese Leute umsonst springen sollen!“

Der Floh trat zuerst vor, er hatte so nette Manieren und grüßte nach allen Seiten, denn er hatte das Fräuleinblut in sich und war gewöhnt, nur mit Menschen umzugehen, und das machte eben viel aus. Dann kam die Heuschrecke. Sie war freilich bedeutend schwerer, aber sie hatte doch ein recht gutes Benehmen an sich und war in der grünen Uniform, und die war angeboren. Außerdem sagte sie, sie habe eine sehr alte Familie in dem Land Ägypten, und sie werde hierzulande hochgeschätzt; sie sei gerade vom Felde genommen und in ein Kartenhaus gesetzt worden, das drei Stockwerke hatte, alle aus Bilderkarten, die die bunte Seite nach innen kehrten; es seien da Türme und Fenster ausgeschnitten und zwar im Leibe der Herz-Dame. „Ich singe so“, sagte sie, „daß sechzehn eingeborene Heimchen, die von klein auf gezirpt und doch kein Kartenhaus erhalten hatten, sich, als sie mich hörten, noch dünner ärgerten, als sie schon waren!“

Alle beide, der Floh und die Heuschrecke, verkündeten somit nachdrücklich, wer sie waren, und daß sie wohl glaubten, eine Prinzessin heiraten zu können. Der Springbock sagte nichts, aber man behauptete von ihm, dass er um so mehr denke; und als der Hofhund ihn nur beschnüffelte, stand er dafür ein, daß der Springbock von guter Familie sei. Der alte Ratsherr, der drei Orden für das Stillschweigen erhalten hatte, versichert, er wisse, daß der Springbock die Gabe des Wahrsagens besitze; man könne es an seinem Rücken sehen, ob man einen milden oder einen strengen Winter bekomme, und das kann man nicht einmal am Rücken desjenigen sehen, der den Kalender schreibt. „Ja, ich sage lieber gar nichts“, sagte der alte König, „aber ich gehe nur immer so und denke mir mein Teil!“

Nun kam es darauf an, den Sprung zu tun. Der Floh sprang so hoch, daß niemand es sehen konnte, und dann behaupteten sie, daß er gar nicht gesprungen sei, und das war nun gemein. Die Heuschrecke sprang nur halb so hoch, aber sie sprang dem König gerade ins Gesicht, und da sagte der, das sei ekelhaft. Der Springbock stand lange still und besann sich, man glaubte schließlich, daß er gar nicht springen könne. „Wenn ihm nur nicht übel geworden ist!“ sagte der Hofhund, und dann beschnüffelte er ihn wieder Rutsch! sprang er mit einem kleinen, schiefen Sprung hin in den Schoß der Prinzessin, die niedrig auf dem goldenen Schemel saß.

Da sagte der König: „Der höchste Sprung ist, zu meiner Tochter hinauf zu springen, denn das ist das Feine daran; aber es gehört Kopf dazu, sich so etwas einfallen zu lassen, und der Springbock hat gezeigt, daß er Kopf besitzt!“ Und so bekam er die Prinzessin. „Ich sprang doch am höchsten“, sagte der Floh. „Aber es mag einerlei sein. Laßt sie nur den Gänseknochen mit Stäbchen und Pech haben! Ich bin doch am höchsten gesprungen; aber in dieser Welt gehört Körper dazu, damit sie einen sehen können!“ Und dann ging der Floh in fremde Kriegsdienste, wo er, wie man sagt, erschlagen wurde.

Die Heuschrecke setzte sich draußen in den Graben und dachte darüber nach, wie es eigentlich in der Welt zugehe, und sie sagte auch: „Körper gehört dazu! Körper gehört dazu!“ Und dann sang sie ihr eigenes trübseliges Liedchen. Und diesem haben wir die Geschichte entnommen, die doch wohl eine Lüge sein könnte, auch wenn sie gedruckt ist.

Hans Christian Andersen
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