Freiheit
Gedanken verschwendet er, als er aus dem Fenster sieht, die von Gitterstäben geschützt waren, um einen eventuellen Ausbruch zu vermeiden. Die Sonne scheint am Himmel und ein paar Vögel kreisen am Himmel und scheinen gut gelaunt und wohlgesonnen zu sein. Achtzehn Jahre waren vergangen, seit er in diesem Zimmer Tag für Tag sitzt, eingeschränkt, mit dem kleinen Blick nach draußen. Manchmal hört er Stimmen von Menschen, die auf den Gehsteigen miteinander reden, lachen oder schimpfen. Es ist eine gewisse Sehnsucht, die er in sich trägt, die bald gestillt werden kann, von seinem Weg in die Freiheit, auf die er schon 18 Jahre lang wartete.
Und er wird nicht mehr so recht wissen, was er in Freiheit anstellen soll, wohin ihn der Weg führt; Akten liegen auf, Akten, die von einer Tat schildern, die er vor achtzehn Jahren getan hat, die ihn reuen lassen, ihn nächtlich plagen, ihm Fragen aufwerfen, was ihn doch dazu bewegt hat, seine Geliebte einfach zu töten. Es war ein einfacher Griff in einer Situation gewesen, wo er sich bei einem Streit nicht beherrschen konnte, wo er einfach zupackte, sie gar nicht mehr schreien hörte, den Ausdruck ihrer erstarrten Augen vor sich sah und dennoch nicht mehr los lies.
Morgen kann und darf er seinen Platz im Gefängnis verlassen, er nimmt nur seine paar Sachen mit, seine Erinnerungen, die ihn noch immer plagen, Nacht für Nacht, auch wenn die Mühe der Aufarbeitung da gewesen ist, seine Akte, die ihn nun als Mörder abstempelt, sein Wissen, seine Ausbildungen, die er während der Zeit im Gefängnis absolviert hat. Ob diese ihm was nützen werden? Er weiß es nicht. Die Familie hat ihn schon lange nicht mehr besucht, früher ein paar mal, aber er merkte sichtlich in deren Augen, dass es ein Zwang war, einfach eine gute Geste, den Sohn zu besuchen, der eine schlimme Tat begangen hatte. Vorwürfe kamen immerhin, nicht nur von Seiten ihrer Familie, sondern auch von seiner. Was soll er nun mit seiner Freiheit anfangen? Es plagen ihn Unsicherheit und einige Schuldgefühle, die er versuchte, abzulegen, mittels Therapie und ausgezeichneter Führung beim Aufenthalt im Gefängnis.
Er kann nicht einmal versprechen, ob er es nicht wieder tun würde. Er machte es in einer Situation, wo es ihm gar nicht bewusst war, was er anrichtete, er würde zum Einzelgänger werden, sich von den Menschen ausschließen, aber er würde frei sein. Weg von dem kleinen, grauen Zimmer mit eisener Tür, die täglich ab 19 Uhr geschlossen wurde, dem kleinen Fenster mit den Gitterstäben, das ihm einen Blick nach draußen gewährte, den Stimmen, die er täglich hörte, draußen auf der Straße, dem Hof, in dem er sich aufhielt und den aus vielen verschiedenen Gründen mitgefangenen Tätern, die ebenfalls wegen eines oder mehreren dummen Fehlers auf ihre Freiheit verzichteten.
War er ja noch jung gewesen, als er die Tat begangen hatte, gerade ein paar Monate nach seinem neunzehnten Geburtstag eskalierte der Streit mit seiner Freundin. Eine ganz dumme, kleinliche, unbedeutende Meinungsverschiedenheit löste in ihm etwas so großes aus, dass ihr ewig die Freiheit nahm, dass sie die Augen schloss und nicht wieder ins Leben zurück kam. Und er fragt sich nun selbst, ob er denn auch frei war? Ob er nicht auch einem gewissen Zwang erlag, dass er die Stäbe an den Fenstern einfach nicht gesehen hatte, die er sein ganzes Leben lang trug und ob er sie jemals ablegen könne, die Fesseln, die er vor dem Gefängnis hatte und nicht einmal bemerkte. Was macht es denn schon aus, die Gitter vor einem zu sehen, bewusst wahr zu nehmen, dass er im eigenen Schatten gefangen ist und nun in einem Gebäude mit Sicherheitspersonal und Gitterstäben sitzt oder ob er unbewusst an Fesseln gelegt dem Zwang anerzogenem Verhalten befindet? Und nach dem Aufenthalt der Jahre, wo er aus dem kleinen Fenster die vier Jahreszeiten, mal Sonne, mal Regen, mal Wind, mal Schnee sehen durfte, wird bald vorüber sein und was ist dann? Die endlose Freiheit aus den Gemäuern in einen nächsten Trakt der selbst aufgelegten Fessel, die er mit dieser Tat für immer im Leben tragen würde.
Es hätte die Möglichkeit gegeben, dass er Brieffreundschaften knüpft, zu Damen, die seine triebhaften Reize gestillt hätten, doch nie hätte er es in Erwägung ziehen können, wieder eine Beziehung anzufangen. Lieber distanziert er sich von solchen Gedankengängen, den Reiz einer Frau in seiner Nähe zu haben, geschweige denn, lediglich mit ihr zu schreiben. Er konnte es nicht verantworten, traute sich selbst nicht mehr, war hoffnungslos gefangen, selbst wenn er morgen frei sein würde. Seine Hand diente nicht nur dem Schreiben, sondern auch der Befriedigung seiner Lust, die ihm seine Sehnsüchte einigermaßen stillte. Sein Hirn erinnerte sich an jene Momente, die er als Jugendlicher, als junger Mann genoss, als er seine Geliebte neben ihm verspürte und seine Augen wanderten stets in Zeitschriften, die er ab und an von Wärtern bekam um seine Lust zu stillen, die ihm die Natur gegeben hat. Was war schon Freiheit und was ist Freiheit? Er weiß mit den Gedanken nichts anzufangen und zweifelt beinahe daran. Was wird ihm der Tag morgen bringen? Was die nächsten Tage seiner wohlverdienten Freiheit. Der Richter entschied damals, aus gutem Recht, er verstand den Herrn gut, nahm sein Urteil hin und die Türen schlossen sich. Und jetzt? Jetzt war er betreut worden, psychologisch, hatte Ausbildungen genossen, um seine Strafe doch mit Sinn abzusitzen, hatte eine gute Führung, fand sich nur in seinen Träumen als Bestie wieder, die ihm den Schweiß bescherten, aufwachen ließen, damit er erkannte, dass alles nur ein Traum war. Nur damals, wo er sich wünschte, dass es einfach ein Traum war, ein verdammter Traum, von dem er eines Tages erwachen würde, damals war alles wahr, real, greifbar und erdrückend. Mit zwei Händen, die Gott ihm zum Arbeiten gegeben hatten, zum Essen und Trinken, zum Schreiben und all die anständigen Dinge, die jeder Mensch im Leben macht oder vielleicht auch ein paar unanständige, für die Gesellschaft schweigende und geheimnisvolle Tat, aber doch nicht so unanständig wie das zudrücken einer menschlichen Kehle, die für immer die Augen des anderen schloss. Er betrachtet seine Hände, seine Adern auf seinem Handrücken und kniff die Augen zu. Morgen würde er frei sein, würde sich einen Job suchen, mit Hilfe seines Begleiters, der ihm stets unterstützte, riet, was zu tun ist, Optimismus zu sprach und er die guten Ratschläge akzeptierte, als wären sie die vom eigenen Vater, der ihn nicht mehr sehen wollte, als Sohn verweigerte, sich seiner schämte.
Ab morgen würde er eine Wohnung beziehen, die ihm zur Verfügung gestellt wird, die einen kleinen Beitrag seiner Einnahmen forderte, zur Überbrückung, bis er wieder im Leben stand, in einem Leben wo er frei sein sollte. Und wieder stellte er sich die Frage, was Freiheit ist. Als Kind genoss er, abgesehen von ein paar väterlichen Schlägen mit dem Gürtel und sehr vielen verbalen Misshandlungen eine Freiheit, die er im jugendlichen Alter wieder anders genoss. Flausen im Kopf eines Jungen, die in der Erinnerung eines von Erlebnissen geprägten Mannes normalerweise ein Lächeln versetzten, ist im Nebel dessen Erinnerung versunken, was er mit seinen Händen angerichtet hatte. Und dieses Bild war nach achtzehn Jahren noch immer so scharf zu erkennen, wie am ersten Tag, als er noch sah, wie die Augen seiner Geliebten erstarrten, wie sie nach Luft rang, mit ihren Händen versuchte sich zu wehren und doch keine Chance gegen den jungen, starken Mann hatte. Er sah seine Finger an, als wären sie fremde, angeheftet auf seiner Hand, diese an seinen Körper und am liebsten hätte er sie damals abgeschlagen. Voller Hass auf sich selbst, der sich nach achtzehn Jahren nur gedämpft legte, starrt er nun darauf. Nein, die Zeit zurückdrehen konnte er nicht, konnte niemand mehr. Nicht einmal die Reporter der Zeitung, die dieses Spektakel als Fressen für die Hyänen darlegte, mit so viel Würze, dass es beim Lesen besser schmeckte, um das rohe Fleisch zu bergen, wie es wirklich war. Ohne Kommentar von ihm selbst, ohne dass er sich verteidigen konnte, nein er wollte sich nicht einmal verteidigen, wollte einfach abschalten, weg, kein Grund mehr in Freiheit zu leben. Sein Gesichtsausdruck ist erstarrt, bei Witzen von Mithäftlingen lächelte er und lachte, aber ob ihn der Witz wirklich auch berührte, wusste er selbst nicht mehr. Das schöne Wetter war nur mehr eine Leinwand, die einfach da hing und ihm ein Bild des Lebens vermittelt. Irgendwann würde die Leinwand sowieso ausgetauscht werden, zu Wolkenbrüchen, Regen oder Wind oder Schnee. Eine Veränderung von Tag zu Tag, nichts blieb gleich nur die Erinnerung an die eine Stunde, wo er nicht einmal wusste, wie lange dieser Zeitpunkt wirklich dauerte.
Und morgen würde er versuchen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, mit einer Hilfe von einem Menschen, der sich für Täter wie ihn einsetzt, aus welchen Gründen auch immer dieser Mensch diesen Beruf gewählt hatte. Es wird nicht leicht sein, einfach aus dem Gefängnis raus zu marschieren und so tun, als wäre alles gut. Bei der Jobsuche würden Blicke fallen, die urteilen, die verunsichern und vielleicht auch ängstliche Blicke, die nicht wissen wollen oder können, ob denn nicht das gleiche noch einmal passiert und wieder denkt er, dass er es nicht einmal sagen könne, ob er es noch einmal tun würde. Sein Auftreten war ansehnlich, gepflegt und selbstbewusst. Doch ob er auch wirklich selbstbewusst war, sei dahingestellt. Ein Kram voller Angst und Schuldbewusstsein füllte zum Teil seine Seele, die er nur durch Aktionen beruhigen konnte, durch tägliches Tun, ablenken durch seine Ausbildungen und Unterhaltungen. In der Nacht, wenn alles still war, alles ruhte, schreit seine Seele, gefangen in dieser Erinnerung. Und er versucht sie stets zu befreien, aus der Erinnerung, die ihn plagt. Morgen wird sein Körper frei sein und seine Seele in Gefangenschaft der Erinnerung und der Blicke einiger Menschen, vielleicht auch Aussagen, Andeutungen und Analysen oder Interpretationen. Menschen können sehr schnell urteilen, manches Mal gar nicht beabsichtigt, sondern einfach durch das Resultat von vergangenem. Und Vergangenes sollte doch vergessen sein, es war und wird nimmer so sein, sondern anders. Nein, es war und es ist immer noch, in der Erinnerung, in seinem Kopf, in seinem Hirn, dass er nicht einfach abschalten kann. Die Vergangenheit ist kein Gestern, auch kein Morgen, aber sie begleitet und es ist von großem Wert, zu schaffen, Erinnerungen einfach auslöschen zu können. Wie es andere schaffen, weiß er nicht, er hat ja schon die Gürtelschläge vergessen, den Alkohol seiner Mutter, die stets betrunken am Küchentisch saß, wenn Schlafenszeit war, die Worte seines Vaters, was er nicht für einen Sohn habe, einen Taugenichts, für nichts zu gebrauchen. Seine schulischen Leistungen, die nicht minder gut waren als sein Essen, dass er täglich in der Schulkantine einnahm. Diese Erinnerungen sind nicht unbedingt für ihn von großer Bedeutung, verstand er das Handeln der Eltern, hatten sie ihn dennoch gern, aber sich selbst einfach nicht. Und wofür sollte er dann noch Schuld zu sprechen, wenn er eine Tat begangen hatte, die noch viel schlimmer war als alle anderen Taten der Welt. Er denkt an Soldaten, die aus Notwehr verteidigen, um frei sein zu können, Menschenleben opfern und auch nachts nicht schlafen können, wegen ihrer Tat, wegen ihrem Auftrag oder ihres Selbstschutzes. Es gibt viele Taten, aber durch einen kleinen Streit, der beinahe schon täglich basierte, seine Hände in Gebrauch zu nehmen um den Tod herbei zu holen, dass ein anderer unschuldiger Mensch von ihm abgeholt werden konnte; diese Erinnerung ist einfach nicht auszulöschen, besucht ihn Nacht für Nacht.
In Freiheit würde vielleicht alles anders sein, regelmässig in die Arbeit zu schlendern, Kontakt zu Kollegen, braven Bürgern aufzubauen, um wieder in Kommunikation treten zu können, Weihnachten zu feiern und wieder richtiges Essen genießen zu können, vielleicht ein Schlückchen Wein oder gar eine ganze Flasche. Die Überlegung bringt ihn zu seiner Mutter, eine anständige Frau, täglich für die Familie geschuftet und abends in der Flasche versunken, die sie betäuben lies, ihre Freiheit die sie doch hatte, in Zwang brachte. Ihre Familie war nicht die beste, der Alkohol ihr bester Freund. Der Vater, der täglich auf der Baustelle seine Arbeit verrichtete, der stets gelobt wurde für seine hervorragende Leistungen und dann Ruhe im Hause suchte und wenn er sie nicht bekam, obgleich es seine Seele war, die ständig schrie und seine Erinnerungen er mit Schlägen an Kinder und Frau beruhigte, aber immer nur für kurze Momente, denn es kam immer wieder auf, seine Seele, die ihm schrie. Und nun hat er einen verlorenen Sohn, der zu so unberechenbarer Tat fähig war, die ihm keiner zugetraut hätte. Mutter und Großmutter hatten geweint, des öfteren besucht, wie auch seine kleine Schwester, aber die Besuche wurden weniger, immer weniger, hatten sie ein eigenes Leben und das Gefängnis war nicht ein Krankenhaus, wo man Opfer besucht, sondern die Täter, die sich in diesem Hause selbst wie Opfer fühlen, wie Opfer, deren Erinnerung der Täter war.
Und morgen würde er wohl frei sein, von seinen Gitterstäben, vielleicht konnte er sich einmal einen Urlaub leisten, an einen Strand fahren, das Wasser auf seiner Haut spüren, nicht diese schäbigen Duschkabinen. Nein, er würde am ersten Tag in seiner Wohnung eine Dusche nehmen, gar nicht mehr raus wollen, aus dem Wasserstrahl, der ihn reinigen würde. Er würde durch die Straßen wandern, Menschen beobachten, die ewig als gute Bürger in Freiheit verbracht hatten, die vielleicht unbewusst gefangen in Beziehungen sind, in Erinnerungen an eine Kindheit, auf ungemütlichen Posten der Arbeitswelt, in der sie versuchen Freiheit zu erlangen, sich behaupten zu können und doch beherrschen müssten. Er würde versuchen, in den Gesichtern zu erkennen, ob auch sie in Erinnerung gefangen sind, obgleich in unterschiedlichen Formen und für die Gesellschaft anerkannten Gefangenschaften, wie Opferrollen, die manche Situationen hervorholen, in offensichtlicher Freiheit stattfinden.
Er würde einkaufen gehen, die Verkäufer beobachten, ihre Reaktionen und sie würden nicht einmal wissen, zu welcher Tat Menschen fähig sind, die zu vor in sittlicher Ordnung gelebt hatten. Und er würde bei jedem Wetter unten im Park auf einer Bank sitzen, den Stimmen lauschen, die er auch jetzt hörte, manchmal leiser, manchmal etwas lauter in sein kleines Zimmer dringend.
Doch, er hatte schon einige Ziele, die ihn etwas von seiner Erinnerung abbringen. Recht viel strukturieren konnte er nicht, lediglich für die nahe Zukunft einplanen, was jedoch die weitere Zukunft bringen möge, dessen war er sich noch nicht bewusst, wollte sich noch keine Gedanken darüber machen. Er würde natürlich seinen Zwängen und Angstneurosen immer wieder die Chance geben, hoch zu kommen, vermehrt Abstand zu anderen Menschen gewinnen und sich doch nach Kontakt sehnen. Ein Widerspruch, dessen er sich sehr wohl bewusst war. Andere würden ihn als krank bezeichnen, vielleicht würde er Menschen kennen lernen, die ihn schätzen, obgleich seiner Vergangenheit und sie würden ihn mit Rat beiseite stehen. Als Helfer, manchmal ob er will oder ob er auch nicht will. Und manche Reden würden an ihn vorbeigehen, würde er nicht hören oder annehmen, sondern einfach reden lassen und nicken. Er war sowieso ein stiller Mensch geworden, ganz anders als noch vor seiner Gefangenschaft. Da war er lebhaft, hatte sehr viel gelacht und war viel unterwegs. Ein Streitgrund in seiner Beziehung. Ihn konnte man nicht einfach so halten, er war überall dabei, hatte sehr viele Freunde. Viele Streiche blieben nicht nur in seinem Kopf sondern manifestierten sich, zum Ärger gewisser Nachbarn oder Menschen, die schwächer waren als er. Und er musste eingestehen, dass seine Geliebte stets mit recht schimpfte, er wollte, konnte es nicht wahrnehmen, war ein junger Wolf, auf der Suche nach Frischfleisch, das seinen Trieb beruhigte, im Gegenzug mit der Erwartungshaltung seiner Freundin, seinem Herzensstück, seiner Geborgenheit, dass sie zu Hause war, später für Kind und ihn sorgte, aber das waren Pläne in die weitere Zukunft gewesen, die er mit seinen beiden Händen in einer Gegenwartsform auslöschte.
Wenn jemand nur einen kurzen Augenblick seine Seele verstehen könnte, diese Gefangenschaft, die nach Freiheit suchte, obgleich welche Vergangenheit diese Seele begleitete, dann würde er einfach nur mit diesem Menschen zusammen sitzen wollen, ohne zu reden, ohne zu erzählen, welche Vergangenheit, welche Erinnerung ihn plagte, sondern einfach durch einen kurzen Austausch der Berührung in der Stille eine gewisse Art von Freiheit finden, eine Gemeinsamkeit, die frei von den Fesseln macht und diese irgendwann wieder aufgelegt werden.
Und einige vergraben ihre eigene Freiheit unter dem Tun und Handeln von Urteilen, Entscheidungen, die andere Menschen betreffen, obgleich von Leben lösen oder von Kritiken, die objektiv zu sein scheinen. Was ist Objektivität? Er schaut auf das Bett, das aus Eisen besteht, grünlich bestrichen, wo schon etwas Farbe abblättert und das er am frühen Morgen ordentlich gemacht hat. Die Matratze selbst ist auch schon etwas zugesetzt, einige Löcher befinden sich darin, er möchte nicht wissen, wie alt diese schon ist; es ist auch relativ, Hauptsache war und ist doch, dass er einen guten Schlafplatz hatte. Der Richter setzte ein objektives Urteil auf, in der Meinung, keine Gefühle in seine Tätigkeit bringen zu können.
Die Matratze selbst, die da liegt, einfach um gerade Objektiv seines Auges zu werden hat nur einen einzigen Nutzen, ihm zu dienen, als Schlafplatz, sein ganzes Gewicht liegt auf dieser und vielleicht ist auch schon vor ihm jemand auf dieser gelegen, vielleicht mit mehr Gewicht oder weniger, die Matratze darf dazu keine Meinung abgeben, sich entscheiden, ob sie will oder nicht, es ist einfach eine Matratze, ein Objekt, das kein Urteil mit sich trägt.
Über objektive Menschen würde er sich freuen, sie würden kein Urteil abgeben, sondern lediglich objektive Sichtweisen mit sich führen. Und er gesteht sich selbst ein, dass er es nie schaffen könnte, objektiv zu urteilen. Seine Sichtweise ist irgendwie stets subjektiv gewesen, manches Mal bildete er sich ein, er habe objektiv gehandelt, in den achtzehn Jahren und als er reflektierte, merkte er wiederum, dass diese Handlung doch subjektiv war. Diese Reflektionen, diese Analysen, manches Mal ist es doch besser, man weiß davon nichts, man kennt diese Ausdrucksformen nicht, denkt einfach nicht nach, bei jeder Kleinigkeit, bei jeder Tatsache. Er ärgert sich und freut sich zugleich. Er ärgert sich über seine Freiheit und freut sich darauf. Ein seltenes Gefühl, als würde er mit sich selbst kämpfen, um wissen zu wollen, welche Empfindung er denn nun hat. Und er schafft es nicht, sich zwischen Ärger und Freude zu entscheiden, sondern lediglich, dass ihm Schrittweise Gedanken in den Kopf drängen, Fragen, was wohl in seiner Freiheit passieren wird und was Freiheit wirklich ist?
Auf jeden Fall wird es anders sein, anders als dass sein Körper hinter Gitterstäben gefangen ist. Anders als das tägliche Ritual der Morgenwache, des Praktizierens der Ausbildungen und der Sparziergänge im Hof mit ein paar Ausgängen, die die größte Freude von den Häftlingen war. Es wird anders sein, als im Gefängnis, ein anderes Ritual, ein selbst entscheiden, wie er die T-Shirts zusammenlegte und Ordnung halten würde, wie er sein Bett macht und wann er aufsteht.
Oder ist es lediglich die Art des Rituals, welche sich ändert? Morgens der Unterschied der Uhrzeit, die ihm sagt, wann er aufstehen und zur Arbeit gehen muss. Das Ritual seiner Zufriedenheit, wie seine Wohnung aussieht, in welchem Zustand er sie jeden Morgen zurücklassen wird? Und die Spaziergänge im Park, die dem Hof nicht im geringsten ähneln, keine Mauern um sich hat, aber doch eine Grenze, wo er nicht hinaus gehen könnte, außer mit einem Schiff und einem Reisepass, den er sich noch nicht leisten kann. Ist das Gefängnis für ihn eine kleine Welt gewesen? Mit Ritualen, Ordnung und Disziplin? Wie ist es in der großen, weiten Welt? Er war als junger Mann so unbändig gewesen, ist jedoch müder geworden, ruhiger und seine Lebhaftigkeit hat sich gedämpft. Ein Löwe, der zu einer Hauskatze geworden ist, mit ein paar Merkmalen, wie ein Tatoo auf seiner Schulter, dass einen Drachen zeigt, den er sich einmal machen lassen hatte, der als Statussymbol diente, für seinen Charakter, sein Charisma.
Und die Freude ab morgen werden vielleicht nicht mehr die Ausgänge sein, die er hin und wieder im Gefängnis erleben durfte. Es werden andere freudige Momente sein, kleine, wie Weihnachten mit einem frisch gebackenen Karpfen und gutem Salat dazu oder die leuchtenden Augen von Kindern vor den Schaufenstern, die noch im Glauben sind, dass es Engel, den Osterhasen und das Christkind gibt. Er wird darauf achten, dass er die Kleinigkeiten bemerkt, vielleicht kann er wieder zu lächeln beginnen, nicht seine Mundwinkel, die lediglich von den Muskeln angetrieben werden, es zu tun, sondern seine Seele, die Momente in sich aufnehmen darf, die als Futter der Freude dienen. Und kleinleise wird die Erinnerung beigeben, die Hoffnung auf diese Freiheit ist alles, was er besitzt. Egal, wie viele Kleidungsstücke er besitzt, es ist nicht wenig, aber auch nicht viel und wie viel Geld er hat, es ist alles relativ. Auf die Hoffnung setzt er am meisten, die ihn vielleicht die Freiheit seiner Seele wieder gibt. Und eines Tages wird auch ihn der Tod besuchen, wird sagen, dass es Zeit für ihn ist zu gehen und er wird die Erinnerung endgültig zurücklassen, kurz auf seine Hände sehen und lächeln.
(Umo)
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