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🎅 Ein Weihnachtsgast | Weihnachtsgeschichte - 😍 Weil es dich gibt

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"Das Leben besteht nicht darin, zu warten, dass der Sturm vorbeizieht, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen."

🎅 Ein Weihnachtsgast | Weihnachtsgeschichte

Der Weihnachtsgast - eine Adventgeschichte
Der Weihnachtsgast - eine Adventgeschichte

Einer von denjenigen, welche als Kavaliere auf Ekeby gelebt hatten, war der kleine Ruster, der Noten transponieren und Flöte spielen konnte. Er war aus niederem Stande und arm, ohne Heimat und ohne Angehörige. Es kamen schwere Zeiten für ihn, als die Kavalierschar sich zerstreute. Er hatte nun nicht länger Pferd und Wagen, weder Pelz noch Eßkorb. Er mußte zu Fuß von Hof zu Hof gehen und trug seine Habe in einem blaugewürfelten Baumwollenschnupftuche eingeknotet. Den Rock knüpfte er bis unter das Kinn zu, damit keiner sehen konnte, wie es mit Hemd und Weste bestellt war, und in seinen weiten Taschen verwahrte er seine kostbarsten Güter: die auseinandergeschrobene Flöte, die flache Taschenflasche und die Notenfeder.

Sein Beruf war das Notenabschreiben, und wenn alles noch so wie in alten Zeiten gewesen wäre, würde es ihm nicht an Arbeit gefehlt haben. Doch mit jedem Jahre, das dahinging, wurde droben in Värmland weniger Musik getrieben. Die Gitarre mit ihrem morschen Seidenbande und das gewundene Waldhorn mit verblichenen Quasten und Schnüren wurden in die Rumpelkammer auf den Boden gebracht, und der Staub legte sich zolldick auf die langen, eisenbeschlagenen Geigentasten. Doch je weniger der kleine Ruster mit der Flöte zu tun hatte, desto mehr mußte er sich mit der Taschenflasche beschäftigen, und schließlich wurde er der reine Säufer. Es war sehr schade um den kleinen Ruster. Einstweilen wurde er auf den Gütern noch als ein alter Freund aufgenommen, doch es herrschte Trauer, wenn er kam, und Freude, wenn er ging. Er roch nach Schnaps und Branntwein, und sowie er ein paar Appetitschnäpse oder ein Glas Grog getrunken hatte, bekam er einen Spitz und erzählte widerwärtige Geschichten. Er war die Plage der gastfreien Gutshöfe.

Einmal um Weihnachten ging er nach Löfdala, wo Liljekrona, der große Geigenspieler, wohnte. Liljekrona war auch einer der Ekebykavaliere gewesen, doch nach dem Tode der Majorin war er auf sein schönes Gut Löfdala gezogen und dort geblieben. Jetzt kam Ruster in den Tagen vor Heiligabend, mitten in der Räumerei, zu ihm und bat um Arbeit. Liljekrona beschäftigte ihn mit dem Abschreiben einiger Notenhefte.

„Du hättest ihn lieber gleich wieder gehen lassen sollen,“ sagte Liljekronas Gattin, „jetzt wird er die Arbeit wohl so langsam ausführen, daß wir ihn Heiligabend hier behalten müssen.“

„Irgendwo muß er ihn ja verleben,“ antwortete Liljekrona. Und er setzte Ruster Grog und Branntwein vor, leistete ihm beim Trinken Gesellschaft und lebte die ganze Elebyzeit wieder mit ihm durch. Doch er war verstimmt, und der Gast war ihm, wie allen anderen zuwider, wenn er es sich auch nicht merken lassen wollte, weil ihm alte Freundschaft und Gastfreiheit heilig waren.

In Liljekronas Heim aber rüstete man sich seit drei Wochen zum Empfang des Christkindes. Man hatte in Ungemütlichkeit und Hetzerei mit Arbeit gelebt, sich die Augen bei Talglichtern und Kienspänen rot gewacht, im Vorratshause beim Fleischeinsalzen und im Brauhause beim Bierbrauen gefroren. Doch sowohl die Hausfrau wie die Dienerschaft hatten alles dieses ohne Murren hingenommen. Wenn alle Arbeit fertig war und der heilige Abend kam, würde sich ein süßer Zauber auf sie herabsenken. Das Weihnachtsfest würde die Wirkung haben, daß Scherz und Neckerei, Reime und lustige Reden ihnen ganz ohne Anstrengung auf die Zunge kämen. Jeder Fuß würde Lust verspüren, sich im Tanze zu drehen, und aus den dunklen Winkeln des Gedächtnisses würden die Worte und Melodien der Reigen hervorschlüpfen, obwohl man jetzt gar nicht glauben konnte, daß sie noch dort vorhanden seien. Und dann würden sie alle gut, ach so gut sein.

Doch wie nun Ruster kam, hatten sämtliche Hausgenossen in Löfdala das Gefühl, daß ihnen das Weihnachtsfest gestört werden würde. Die Hausfrau, die älteren Kinder und die langjährigen Diener waren alle gleicher Meinung. Ruster erregte in ihnen erstickende Angst. Sie fürchteten überdies, daß, wenn er und Liljekrona die alten Erinnerungen wieder zu durchleben anfingen, das Künstlerblut in dem großen Geiger aufwallen und sein Heim ihn verlieren würde. Früher hatte er es ja nie lange daheim ausgehalten.

Niemand kann beschreiben, wie der Hausherr, seit sie ihn ein paar Jahre ganz hatten behalten dürfen, jetzt auf dem Gute geliebt wurde. Und was gab er ihnen auch! Wieviel war er den Seinen, vor allem im Weihnachtsfeste! Er hat seinen Platz nicht auf einem Sofa, oder in einem Schaukelstuhl, sondern auf einer hohen, schmalen, glattgescheuerten Holzbank in der Kaminecke. Wenn er dort saß, ritt er auf Abenteuer aus. Er fuhr rund um die Erde, stieg zu den Sternen empor und flog noch höher. Er spielte und erzählte abwechselnd, und alle Hausgenossen versammelten sich um ihn und hörten zu. Das ganze Leben wurde stolz und schön, wenn der Reichtum dieser einen Seele es bestrahlte.

Daher liebten sie ihn, wie sie das Weihnachtsfest, den Frohsinn und die Frühlingssonne liebten. Und als der kleine Ruster kam, war ihr Weihnachtsfrieden gestört. Wenn er den Hausherrn fortlockte, hatten sie vergeblich gearbeitet. Es war ungerecht, daß der Säufer in einem frommen Hause am Weihnachtstische sitzen und alle Weihnachtsfreude verderben durfte.

Am Vormittage des Heiligen Abends war der kleine Ruster mit dem Notenschreiben fertig und sagte nun einige Worte vom Fortgehen, obwohl er natürlich die Absicht hatte, zu bleiben. Liljekrona war von der allgemeinen Verstimmung beeinflußt worden und sagte daher recht lau und gleichgültig, es sei wohl das beste, daß Ruster das Weihnachtsfest über bleibe, da er ja einmal hier sei.

Der kleine Ruster war ein stolzer Hitzkopf. Er zwirbelte seinen Schnurrbart und warf das schwarze Künstlerhaar, das wie eine dunkle Wolke über seiner Stirn lag, zurück. Was Liljekrona damit sagen wollte? Solle er nur bleiben, weil er sonst nirgends hinkönne? Oh, bitte sehr, auf den großen Hammerwerken im Kirchspiele Bro werde er sehnsüchtig erwartet! Das Fremdenzimmer sei in Ordnung, der Bewillkommnungsbecher gefüllt. Er habe es sehr eilig. Er wisse nur nicht, zu wem er zuerst fahren solle.

„Du liebe Zeit,“ antwortete Liljekrona, „du kannst gern fahren.“

Nach dem Mittagessen bat der kleine Ruster um Pferd und Schlitten, Pelz und Fußsack. Ein Knecht aus Löfdala sollte ihn nach irgendeinem Orte im Broer Kirchspiele fahren und das Pferd schnell antreiben, da es nach Schneegestöber aussah.

Niemand glaubte, daß er erwartet werde oder daß es in der Gegend auch nur ein einziges Haus gebe, in welchem er willkommen war. Doch sie wollten ihn so gern los sein, daß sie sich dies verhehlten und ihn fahren ließen. „Er hat es selbst gewollt,“ sagten sie. Und dann dachten sie, jetzt wollten sie fröhlich sein.

Doch als sie sich gegen fünf Uhr im Saale versammelten, um Tee zu trinken und um den Christbaum zu tanzen, war Liljekrona still und verstimmt. Er setzte sich nicht auf die Abenteuerbank, er rührte weder Tee noch Punsch an, er konnte sich keiner Polska erinnern und die Geige war nicht in Ordnung. Die, welche in der Stimmung seien, zu tanzen und zu spielen, möchten es ohne ihn tun. Da wurde die Hausfrau unruhig, da wurden die Kinder verdrießlich, alles im ganzen Hause ging verkehrt. Es wurde ein sehr trüber Heiligabend.

Die Grütze käste [Fußnote] die Lichter zischten, die Holzscheiter rauchten, der Wind brachte Schneetreiben und wehte recht bittere Kälte in die Zimmer. Der Knecht, der den kleinen Ruster gefahren hatte, kam nicht wieder. Die Haushälterin weinte, die Mägde zankten sich.

Schließlich fiel es Liljekrona ein, daß keine Garbe für die Sperlinge hingelegt worden sei, und er beklagte sich laut, daß alle Weiber seines Haushaltes alte Bräuche fallen ließen und neumodisch und herzlos seien. Sie aber begriffen recht gut, daß das, was ihn quälte, Gewissensbisse darüber waren, daß er den kleinen Ruster am Heiligabende selbst hatte abreisen lassen.

Plötzlich ging er nach seinem Zimmer, schloß die Tür hinter sich und begann zu spielen, wie er, seit er zu wandern aufgehört, nicht gespielt hatte. Haß und Hohn, Sehnsucht und Sturm lag darin. „Ihr dachtet, mich zu binden, aber ihr müßt andere Fesseln dazu schmieden. Ihr dachtet, mich kleinlich zu machen, wie ihr es selbst seid. Doch ich ziehe hinaus in das Große, in das Freie, Alltagsmenschen, Haussklaven, fangt mich, wenn es in eurer Macht steht!“

Als die Hausfrau diese Töne hörte, sagte sie: „Morgen ist er fort, wenn Gott nicht heute nacht ein Wunder tut. Jetzt hat unsre Ungastlichkeit gerade das bewirkt, was wir vermeiden zu können glaubten.“

Inzwischen fuhr der kleine Ruster im Schneetreiben umher. Er fuhr von einem Gute zum andern und fragte, ob man dort Beschäftigung für ihn habe, wurde aber nirgends aufgenommen. Er wurde nicht einmal zum Aussteigen aufgefordert. Einige hatten das Haus voll Besuch, andere wollten am ersten Festtage selbst verreisen. „Fahre zum nächsten Nachbar,“ sagten sie alle.

Er konnte gern kommen, wenn er ihnen nur die Gemütlichkeit einiger Alltage störte, aber nicht am Heiligabend. Das Jahr hatte nur einen Heiligen Abend, und auf diesen hatten die Kinder sich schon den ganzen Herbst gefreut. Diesen Menschen konnte man doch nicht mit Kindern an einen Weihnachtstisch setzen. Früher hatten sie ihn gern aufgenommen, aber jetzt, seit er so trank, nicht mehr. Was sollte man auch mit dem Gesellen anfangen? Die Knechtstube war nicht gut genug für ihn und der Salon zu fein.

So mußte der kleine Ruster in dem peitschenden Schneetreiben von Hof zu Hof fahren. Der nasse Schnurrbart hing ihm schlaff über die Lippen herab, seine Augen waren gerötet und trübe, doch der Branntwein wurde aus seinem Gehirn verweht. Er fing an zu grübeln und zu staunen. War es möglich, daß keiner ihn aufnehmen wollte? Da sah er plötzlich sich selbst. Er sah, wie erbärmlich und heruntergekommen er war, und er begriff, daß er den Menschen verhaßt sein müßte. „Mit mir ist es vorbei,“ dachte er. „Mit dem Notenschreiben, mit der Flöte ist es vorbei. Niemand auf Erden bedarf meiner, niemand hat Mitleid mit mir.“

Das Schneegestöber kreiste und spielte, riß die Wehen auf und schüttete sie wieder zu, nahm eine Schneesäule in den Arm und tanzte mit ihr über das Feld, wirbelte eine Flocke bis zu den Wolken empor und trieb eine andere tief in eine Grube hinein. „So geht es, so geht es,“ sagte der kleine Ruster, „solange man tanzt und umherwirbelt, ist es Spiel, wenn man aber in die Schneewehe hinunter soll, um dort eingebettet und vergessen zu werden, dann wird es Betrübnis und Kummer.“ Doch hinunter müssen wir alle, und jetzt war die Reihe an ihm. Ja, jetzt war er am Ende. –

Er fragte nicht mehr, wohin der Knecht ihn bringe. Es war ihm, als fahre er in das Land des Todes hinein.

Der kleine Ruster verbrannte während dieser Fahrt keine Götter. Er verwünschte weder das Flötenspiel noch das Kavalierleben, er dachte nicht, daß es besser für ihn gewesen wäre, wenn er den Acker gepflügt oder Schuhe besohlt hätte. Doch darüber klagte er, daß er jetzt ein ausgespieltes Instrument sei, von dem der Frohsinn keinen Gebrauch mehr machen könne. Er klagte niemand an, denn er wußte, daß ein zersprungenes Waldhorn und eine Gitarre, die sich nicht mehr stimmen läßt, fortgeworfen werden müssen. Er wurde auf einmal ein sehr demütiger Mensch. Er begriff, daß es jetzt, am Heiligabend, mit ihm zu Ende gehen werde. Der Hunger oder die Kälte würde ihn töten, denn er verstand nichts, taugte zu nichts und hatte keine Freunde. Da hält der Schlitten, und auf einmal ist es hell um ihn her, er hört freundliche Stimmen, wird in eine warme Stube geführt, und jemand gibt ihm heißen Tee zu trinken. Der Pelz wird ihm ausgezogen, und mehrere Stimmen heißen ihn willkommen, während warme Hände Leben in seine erstarrten Finger reiben. Er wurde von allem diesen so verwirrt, daß es wohl eine Viertelstunde dauerte, ehe er sich wieder besinnen konnte. Er konnte gar nicht begreifen, daß er sich wieder in Löfdala befand. Es war ihm gar nicht klar geworden, daß der Knecht, des Umherfahrens im Schneegestöber überdrüssig, nach Hause zurückgekehrt war.

Ebensowenig begriff er, weshalb er jetzt in Liljekronas Hause so freundlich empfangen wurde. Er konnte nicht wissen, daß Liljekronas Gattin verstand, welch schwere Fahrt er an diesem Heiligabend gemacht, um an jeder Tür, an die er geklopft, abgewiesen zu werden. Sie empfand so großes Mitleid mit ihm, daß sie ihre eigene Sorge darüber vergaß. Liljekrona setzte drinnen in seinem Zimmer das wilde Spielen fort. Er wußte nicht, daß Ruster wieder da war. Dieser saß unterdessen mit der Hausfrau und den Kindern im Saale. Das Gesinde, das dort am Heiligabend ebenfalls zu sein pflegte, hatte sich vor der trüben Stimmung, die drinnen bei der Herrschaft herrschte, in die Küche geflüchtet.

Die Hausfrau stellte Rüster sofort an. „Ruster,“ sagte sie, „Er hört wohl, daß Liljekrona den ganzen Abend nichts weiter tut als spielen. Ich muß das Decken über- überwachen und nach dem Essen sehen. Die Kinder sind ganz allein. Er muß sich um die beiden Kleinsten kümmern.“

Kinder waren die Art Menschen, mit der Ruster am wenigsten verkehrt hatte. Er hatte sie weder im Kavalierflügel noch im Soldatenzelte, weder im Kruge noch auf der Landstraße angetroffen. Er war beinahe blöde vor ihnen und wußte nicht, was er sagen sollte, das fein genug für sie wäre. Er zog die Flöte hervor und lehrte sie auf Löchern und Klappen fingern. Es waren ein vierjähriger und ein sechsjähriger Knabe. Sie erhielten eine Lektion auf der Flöte und schienen sich sehr dafür zu interessieren. „Dies ist A,“ sagte Ruster, „und dies ist C.“ Und dann blies er die Töne. Da wollten die Kleinen wissen, was das für ein A und ein C sei, das gespielt werden sollte.

Ruster holte nun Notenpapier aus der Tasche und zeichnete ihnen beide Noten auf. „Nein,“ sagten sie, „das ist nicht richtig.“ Und sie liefen nach einem Abc-Buche.

Da begann der kleine Ruster ihnen das Alphabet zu verhören. Sie konnten und konnten es nicht. Mit dem Wissen war es kümmerlich bestellt. Ruster geriet in Eifer, nahm die Knaben auf je ein Knie und fing an sie zu unterrichten. Liljekronas Gattin, die aus- und einging, hörte ganz erstaunt zu. Es klang wie Spiel, und die Kinder lachten immerfort, aber sie lernten. Ruster setzte den Unterricht eine Weile fort, doch er war nicht recht bei der Sache. Ihn beschäftigten die alten Gedanken vom Schneetreiben draußen. Hier war es schön und gemütlich, aber mit ihm war es ja doch vorbei. Er war verbraucht. Er würde fortgeworfen werden. Und plötzlich verbarg er das Gesicht in den Händen und begann zu weinen.

Liljekronas Gattin trat schnell zu ihm.

„Ruster,“ sagte sie, „ich kann verstehen, daß Er glaubt, mit Ihm sei es aus. Mit der Musik geht es nicht mehr, und Er ruiniert sich mit dem Branntwein. Doch das Ende ist noch nicht da, Ruster.“

„Doch,“ schluchzte der kleine Flötenspieler.

„Sieh Er, so bei den Kleinen sitzen wie heute abend, das wäre etwas für Ihn. Wenn Er Kinder im Lesen und Schreiben unterrichtete, würde Er wieder überall willkommen sein. Das sind keine schlechteren Instrumente zum Spielen, Ruster, als Flöte und Geige. Sieh Er sie an, Ruster!“ Sie stellte die beiden Kleinen vor ihn hin, und er sah auf, blinzelnd, als habe er in die Sonne geblickt. Seinen kleinen, trüben Augen schien es schwer zu werden, den großen, hellen, unschuldigen der Kinder zu begegnen.

„Sieh Er sie an, Ruster,“ ermutigte ihn Liljekronas Gattin.

„Ich wage es nicht,“ antwortete Ruster, dem es ein Fegefeuer war, durch die schönen Kinderaugen in die Schönheit der unbefleckten Seelen hineinzuschauen.

Da lachte Liljekronas Gattin laut und fröhlich. „So soll Er sich daran gewöhnen, Ruster. Er kann dieses Jahr als Schulmeister in meinem Hause bleiben.“

Liljekrona hörte seine Gattin lachen und kam aus seinem Zimmer. „Was gibt’s?“ fragte er. „Was gibt’s?“

„Nichts weiter“, erwiderte sie, „als daß Ruster wiedergekommen ist und ich ihn als Schulmeister für unsere kleinen Buben angenommen habe.“

Liljekrona war ganz verdutzt. „Getraust du dich,“ sagte er, wagst du es? Hat er versprochen, das – zu lassen – ?“

„Nein,“ antwortete die Gattin, „Ruster hat nichts versprochen. Doch er wird sich vor vielem hüten müssen, wenn er täglich den Kleinen in die Augen sehen soll. Wenn es nicht Weihnachten gewesen wäre, hätte ich es wohl nicht gewagt, doch wenn unser Herrgott es gewagt hat, ein kleines Kind, das noch dazu sein eigener Sohn war, unter uns Sünder zu versetzen, so kann auch ich mich wohl getrauen, meine Kleinen versuchen zu lassen, einen Menschen zu retten.“

Liljekrona brachte kein Wort hervor, aber es zuckte in jeder Runzel seines Gesichtes, wie immer, wenn er etwas Großartiges hörte.

Dann küßte er seine Frau so unterwürfig wie ein um Verzeihung bittendes Kind die Hand und rief laut: „Alle Kinder sollen herkommen und Mutter die Hand küssen!“

Das taten sie, und nachher wurde ein fröhliches Weihnachtsfest in Liljekronas Heim gefeiert.

Selma Lagerlöf

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