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🎅 Eine Weihnachtsgeschichte | O du fröhliche, o du selige

Eine Weihnachtsgeschichte
Eine Weihnachtsgeschichte

„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!“ klang es von frischen Kinderstimmen und einer tiefen, klaren Frauenstimme durch die Räume des Thalbacher Pfarrhauses. Als der letzte Ton verhallt, war’s ein paar Augenblicke still in dem gemütlich warmen Wohnzimmer. Aber nicht lange!
„Warten wir nie meine Leidenschaft sein, auch wenn ich Methusalems Alter erreichen sollte!“ hub Karl, der dreizehnjährige Gymnasiast an, der gestern zu den Ferien heimgekommen war.

„Es ist aber doch so notwendig, dass man warten lernt“, erwiderte Lenchen mit weiser Miene; „wer diese köstliche Kunst nicht verstände, sagte die Mutter neulich, der käme ihr vor, wie ein Mensch, der ein Buch lesen wolle, ohne das ABC gründlich gelernt zu haben. Man würde eben nicht fertig im Leben ohne das Warten.“

Johanna und Elsbeth, die beiden neunjährigen Zwillinge, rückten dich zu der Tante heran, die strickend in der Sofaecke sitzt, und Johanna bittet: „Ach, erzähle und doch etwas! Auch mir will der Nachmittag schon endlos erscheinen!“

„Und hätten wir nur“, fährt Elsbeth fort, „unsere Weihnachtsbesuche bei den Kranken nicht schon mittags gemacht, da wäre jetzt die Zeit, bis der Vater zur Bescherung ruft, schön ausgefüllt. Ach ja erzähle, bitte, bitte!“

„Nun, erzählen will ich wohl, Kinder“, sprach die Tante, indem ihre lieben Augen mit einem ihnen sonst fremden, träumerischen Asudruck in die frühe Dämmerung hinausschauten. „Ihr müsst aber heute mit ein paar Erlebnissen aus meinem eigenen Leben fürlieb nehmen – die Erlebnisse eines Weihnachtstages vor langen, langen Jahren! An Gedenktagen, wie Christkindchens Geburtstag, meinem eigenen und den Geburts – und Sterbetagen meiner Lieben, da wandern meine Gedanken zurück in vergangene Zeiten und vorwärts zu jenem großen Freuden -und Vereinigungstage, aber bei gelesenen und gehörten Geschichten wollen sie nicht gern weilen! Heut sind’s neunzehn Jahre, seit ich mich mit Onkel Richard verlobte, den ihr beiden Älteren ja noch gut gekannt habt. Vor acht Jahren bin ich Witwe geworden!“

„O, dann ist’s also eine wirkliche Liebesgeschichte!“ meinte Karl, – ließ das Knäuel von Elsbeths Strickzeug, mit dem er sich eine Weile beschäftigt, achtlos fallen und setzte sich in lauschende Stellung. „Nun ja, eine Liebesgeschichte ist’s“, sagte die Tante, indem ein fast jugendliches Erröten über ihre feinen Züge flog. „Vor allem aber preist sie die Liebe und Freundlichkeit des Herrn, der die Menschenherzen lenkt wie Wasserbäche.“ Eben jetzt meldete sich der kleine fast vierjährige Paul, der ziemlich lange ruhig in der Zimmerecke mit einem defekten Schaukelpferd beschäftigt gewesen, und verlangte „etwas sehr Schönes zum Spielen, etwas, das nicht verrissen oder verbrochen wäre“. Als man seine Wünsche erfüllt hatte, hub die Tante also an: „Ich war Lehrerin an einem Mädchenpensionat in London. Die Tage waren mühevoll und schwer. Die Arbeit wollte fast zu viel werden für Körper und Geist. Und was das Schwerste war in meiner dortigen Stellung – der Herr und sein Wort bildeten nicht den Mittelpunkt der Erziehung und des Unterrichts! Man beschäftigte sich zu viel mit Äußerlichkeiten, mit Nebendingen! Die zum Teil schon erwachsenen Mädchen wurden vollgestopft mit allerhand Kenntnissen und Wissenschaften, vor allem mit Zeichnen, Malen, Musik, Französisch und Italienisch. Von dem einen aber, was Not tut, wurde ihnen wenig gesagt, und das wenige in trockener, mechanischer Weise, ohne Lebenskraft und Lebenswärme. Die Vorsteherin, eine wohlwollende, feingebildete Frau, war allerdings kirchlich gesinnt, aber von einer Gebets -und Lebensgemeinschaft mit dem Herrn schien sie nichts zu wissen. Ich dagegen wollte ihm ja so gern angehören, doch wurde mir’s schwer, bei dem unruhevollen, oberflächlichen Leben still und unverrückt mich an ihn zu halten.

Das Weihnachtsfest war herangekommen. die Pensionärinnen reisten für die Ferien ins Elternhaus. Mir war es als eine besondere Vergünstigung gestattet, während derselben in der Anstalt zu bleiben. Die Vorsteherin hatte für den ersten Weihnachtstag die Einladung einer befreundeten Familie in Syddenham, einer der zahllosen Vorstädte Londons, angenommen und gedachte schon am 24. früh dorthin aufzubrechen, obgleich dem lieben heiligen Abend nicht sein Recht ward. Nach der kirchlichen nimmt bei der häuslichen Feier das Mittagessen am ersten Festtage entschieden den Hauptrang ein. Bei demselben dürfen in den einigermaßen wohlhabenden Ständen weder der Truthahn noch der Plumpudding fehlen.

Ich hatte zwar auch Bekannte in London – eine Familie, an die ich einen Empfehlungsbrief gebracht, und die mich seither häufig in ihr liebes, frommes, gastliches Haus aufgenommen. Es war die Familie des Bankiers Pfeiffer. Vater und Sohn waren im Geschäft tätig; die Mutter waltete – eine echte, deutsche Hausfrau – still und umsichtig im Hause, suchte aber auch außerhalb desselben Armut und Elend zu lindern, soviel sie vermochte. Eine Einladung aber zum Weihnachtsfest, auf die ich eigentlich sehnlich gehofft, war nicht erfolgt. Dachten sie meiner nicht in ihrer Feststimmung?
Der 24. brach trübe und neblig an. Schnee war nicht gefallen. Ich las in meinem Stübchen am offenen Fenster und zeichnete. Ein gutes Feuer brannte im Kamin. Ich fühlte mich unaussprechlich einsam! Wollte denn kein Weihnachtsglanz für mich leuchten, keine Weihnachtsfreude mein Herz erwärmen? Da klopfte es. Die Vorsteherin trat ein und fragte, ob ich nicht Lust hätte, sie bis Syddenham zu begleiten? Von Brixton, wo unser Pensionat lag, konnten wir’s in wenigen Minuten mit der Bahn erreichen. Sie schlug mir vor, ein paar Stunden in den Syddenham – Kristallpalast zu gehen, den ich oft und gern zu besuchen pflegte. Nun, für den Weihnachtstag hätte ich mir allerdings eine andere Freude gewünscht, aber ich willigte ein, da Miss Salmon meine Begleitung zu wünschen schien.
Es ist ein herrliches Gebäude, dieser Kristallpalast! So vollendet und groß steht er da – mehr wie eine Schöpfung aus der Märchenwelt, als ein mühevolles Machwerk von Menschenhänden. Zu einer früheren Londoner Industrie – Ausstellung erbaut – ganz aus Glas ausgeführt, nur das Gerippe von Eisen – ist er jetzt zu eine Art Museum umgestaltet.
Langsam schlenderte ich durch die weiten Hallen. – Hier die schönsten einheimischen und ausländischen Gewächse, zwischen denen schillernde, prachtvoll gefärbte sowohl, als auch sangreiche Vögel umherflattern. Gruppen von ausgestopften Tieren (Dromedare, Gazellen usw.) und Menschen aus allen Zonen, denen man’s wahrlich nicht ansieht, dass sie nur aus Holz gearbeitet sind, so natürlich sind ihre Stellungen, so ausdrucksvoll ihre Gesichter. Für ein paar Augenblicke glaubt sich der Beschauer in ferne Länder versetzt, die sein Fuß nie betrat.
Dort einzelne Gestalten und Gruppen aus Marmor. Weiterhin die Bildergalerie. Dann führt mich mein Weg in die Tropen. Riesige Wasserbassins, auf denen sich Lotosblumen schaukeln. Auf dem Grunde des klaren Wassers schaut man die reichen Schätze, die der Mensch aus der Meerestiefe hervorgeholt. – Stolze Palmen, Bananen, schattige Bosketts aus Lorbeer, Zypressen, Orangen. Glänzende Blumen des Südens, zwischen denen ganze Scharen Kanarienvögel und schimmernde Kolibris sich tummeln. Ich ruhte ein paar Augenblicke auf einer der Moosbänke, dem Plätschern der Springbrunnen und den weichen Klängen der Musik lauschend, die aus dem Dunkel des Buschwerks ertönte, ohne dass man die Urheber derselben sah. Aber bald erhob ich mich wieder und trat in die großen, hochgewölbten Hallen des Bazars. Ein Laden neben dem andern! Und welche Überraschung. In der Mitte des Bazars erhob sich ein Riesentannenbaum, weihnachtlich geschmückt, der, wie mir einer der umstehenden Diener erklärte, am Abend für die vielen Deutschen die sich dann hier einfinden, angezündet werden sollte. Ein deutscher Weihnachtsbaum in fremden Lande! Sollte ich bis zum Abend im Palast bleiben und mich den Heimatlosen zugesellen? War ich doch einsam und heimatlos wie nur einer! Meine guten Eltern ruhten längst auf dem Friedhof; eure Mutter, meine einzige Schwester, war als Erzieherin in einem Pfarrhause – nähere Verwandte hatte ich nicht, die wenigen Freunde schienen mich vergessen zu haben!
Ich wollte die Frage noch nicht entscheiden. Vielleicht wär’s besser, ich bliebe daheim in meinem Stübchen! So sinnend schritt ich weiter in andere Räume, in die sich niemand der Schaulustigen verirrt hatte. Meine Gedanken stiegen bis an den Thron des Königs aller Könige, des Herrn aller Herren und flehte um Frieden, um Liebe, um volles Genüge, um Weihnachtssegen. Aber wundert euch nicht, Kinder, wenn ich erzähle, dass eure alte Tante dabei bitterlich geweint hat! Ich war ja dazumal noch ein armes, junges Ding, und schon so einsam und verlassen im Leben zu stehen, wollte mir gar nicht behagen! Wenn ich auch die Gnadennähe meines Herrn spürte, so ist doch mein Herz gleich dem anderer Menschenkinder verzagt und trotzig von Jugend auf. Aber wohl dem, der zum Herrn geht mit seinem Schmerz, welcher Art er auch sein mag, und bei ihm Hilfe sucht! Er erhört unsere Bitten, schon ehe wir es aussprechen! wie es Jes.65, 24 heiß: „Und soll geschehen, ehe sie rufen, will ich hören.“ Seine liebe Hand trocknet nur gerne die Tränen seiner Menschenkinder und schenkt ihnen, wonach ihr Herz sich sehnt.
„Wusste ich doch wo ich meine kleine Freundin zu suche habe! Gott zum Gruß!“ ertönte in meiner nächsten Nähe die herzliche, kräftige Stimme des Herrn Pfeiffer – und neben ihm stand sein Sohn, und auch aus seinem männlichen ernsten, aber freundlichen Antlitz leuchtete mir ein warmes Willkommen entgegen. Der Vater berichtete, dass sie mich schon in meiner Wohnung gesucht hätten, um mich für die ganze Dauer der Weihnachtsferien zu sich zu holen. Seine Frau habe früher schreiben wollen, es aber im Drang der Festvorbereitungen versäumt. Wir müssten nun allerdings erst im Pensionat einkehren, meine Sache holen und der Haushälterin von meinem Fortgehen Mitteilung machen. „Und nun“, fuhr er fort, „erwartet mich hier, ich habe im Lesezimmer noch mit einem Freunde zu sprechen, bin aber bald wieder bei euch.“
„Ich möchte es schon einmal besuchen“, sprach Richard, indem er sich in den stillen Hallen umschaute, „jenes Land mit seinen Zedern – und Palmenhainen, seinen endlosen Wüsten und seiner üppigen Fruchtbarkeit, seinen mächtigen Katarakten, seinen stillen Stromtälern, seinen Pyramiden und seinen Mumien! Nicht nur allein!“ – Ich begegnete seinem Auge, das fragend auf mir ruhte. Er ergriff meine Hand und sagte, dass er mich lieb habe, und ob ich sein Weib werden und mit ihm nicht etwa nur eine Reise nach Ägypten, sondern die ganze Lebensreise zusammen machen wolle. Das war euer Onkel Richard, Kinder, und durch ihn hat der liebe Gott meine Armut reich und mein Leben köstlich gemacht.
An jenem Abend standen wir als glückliches Brautpaar unter dem Christbaum. Als wir am andern Morgen zur Kirche gingen, klang’s in meinem Herzen: O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!“
Die Mutter, die leise eingetreten war, hat schon ein Weilchen neben der Tante gestanden. „Es ist alles bereit!“ sagt sie und nickt den Kindern freundlich zu. Der Vater tritt jetzt ein und liest die Weihnachtsbotschaft, durch die ein Jahr nach dem andern und ein Jahrhundert nach dem andern den Menschenkindern große Freude bereitet wird. Dann stimmt die ganze Familie den Lobgesang an: „Vom Himmel hoch da komm ich her!“ Die Tante begleitet auf dem Klavier. Und das Glück der Jahre, die vorüber sind – und die Weihnachtsfreude der Gegenwart – und die Hoffnung auf den Tag, wo der Weihnachtssegen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ erst in seine volle Kraft treten wird – das alles hat ihr noch immer schönes Antlitz mit hellem Schimmer übergossen. Während der zwei letzten Verse ist der Vater leise hinausgegangen. Nun öffnet sich die Tür des andern Zimmers:
Weihnachtsglanz! Weihnachtsfreude! Weihnachtsjubel!Dora Schlatter

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1 Kommentar zu „🎅 Eine Weihnachtsgeschichte | O du fröhliche, o du selige“

  1. HALLO,
    hallo Mahababa 🤝🌟🌸🌟Ich habe mit VIEL Nachdenken,Erinnern,die schöne Weihnachtsgeschichte gelesen.Mich freuts recht si schöne Geschichten lesen zu dürfen,zu können.
    Es ist doch,ALLES nicht mehr so WIE es war.So an Weihnachten. Lange lange schon nicht mehr.. ABER Mahababa ich glaube dieses weiß ein 💕JEDER💕❗Keiner wills so recht eingestehen.. Man muß es,ebn einen jeden überlassen.
    Einen guten,schönen Tag noch.Lieve Grüße von mir🌟🌟🕯🌺🌸🕯🎄⭐⭐

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