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🌲 Weihnachten im Dunkeltal | Weihnachtsgeschichte

Weihnachten im Dunkeltal - Geschichte
Weihnachten im Dunkeltal - Geschichte

Es war einmal in einem Land, fernab jeglicher Zivilisation, das auf keiner, mir bekannten, Landkarte verzeichnet ist. Es war gelegen zwischen den Gipfeln einer hohen Gebirgskette und wurde von den Einheimischen nur als das „Dunkeltal“ bezeichnet. Das lag daran, dass die Spitzen der höchsten Berge eine dichte, dunkle Wolkenwand mit ihren Spitzen förmlich in den Himmel nagelten, sodass kein Sonnenstrahl in das Tal vordringen konnte. Es befand sich in absoluter Dunkelheit. Und das schon seit Anbeginn der Zeit. Nur aus Geschichten, wussten die Bewohner dieses Tals, dass es fernab der Dunkelheit etwas gab, das in der Lage war, diese alles verschlingende Dunkelheit zu durchdringen, doch niemand hatte je Beweise dafür gesehen und so glaubte niemand wirklich an die Existenz, dieses Wunders.

Die Bewohner des Tals selbst waren ein mürrisches Volk, ohne jegliche Empathie, die es im Einzelnen vorzogen, ein Leben in der Zurückgezogenheit zu führen, ohne sich um die Angelegenheit anderer zu kümmern. Gespräche gab es kaum, Berührungen nur dann, wenn es sich nicht vermeiden ließ und der Klang von Lachen war nichts weiter, als ein weiterer Mythos in den Köpfen der Bewohner. Stillschweigend ging jeder seinem immerzu gleichen Tagesablauf nach: Aufstehen, Arbeiten, Schlafen, Aufstehen, dabei richteten sie sich immer nach der großen Uhr auf dem Marktplatz, deren schwere Zeiger, sich mit einem unverhohlenen dumpfen Ticken, wie Schwerter im immer gleichen Rhythmus bewegten und erahnen ließen, dass es sowas wie Tage gab. Auch wenn es niemand bewusst wahrnehmen konnte. Das einzige bemerkenswerte an diesem tristen Ort war, dass in einigen seiner Bewohner ein Feuer inne zu wohnen schien. Ein schwaches Leuchten in der Brustgegend, dass beinahe so etwas wie Wärme verströmte. Einige leuchteten mehr, andere weniger, doch war es nie mehr als ein kleines Glimmen.
Eines Tages, es war gerade ungefähr die Hälfte des Tages um, wurde die Stimmung der Bewohner, wie auf ein unsichtbares Zeichen einstimmig bedrückter, die Luft wurde kälter, sodass der Atem einem beinahe auf den Lippen zu gefrieren drohte, ein schneidender Wind kam auf und es schien so, als wäre auch der Himmel nochmals um einiges dunkler geworden, auch wenn das kaum möglich war. Die Ältesten zogen die schwachen Schultern entrüstet nach oben und versteckten ihre Gesichter in den Kragen ihrer Mäntel, gegen der Kälte Messer scharfen Schneid“. Niemand sprach es aus, aber alle wussten es. Das Jahr neigte sich dem Ende zu, der Winter klopfte mit seiner unbarmherzigen Sense gegen die Bergpforte. Klopfte und bat um Einlass. Und er würde so lange dort stehen und klopfen, bis ihm der Geduldsfaden reißen und er sich ungebeten Eintritt verschaffen würde. Wie jedes Jahr würde er sich im Dunkeltal breitmachen, ein ungebetener Gast, der ungefragt an den Kräften und Vorräten seiner Bewohner zerrt, bis es wieder Zeit wird für ihn zu gehen. Doch er geht nie allein. Die große Sense in der einen Hand, schließt sich seine andere kalte Klaue um alles und jeden, was ihm nicht die Stirn bieten kann. Wie ein kaltes Ausatmen verschwand er und hinterließ ein vereinsamtes Haus, dessen Dielen nicht mehr durch den schwachen Schein in der Brust seines Besitzers erhellt wurden. Der Winter war ein grausamer Zeitgenosse, doch niemand konnte ihn aufhalten, niemand wollte durch die Bergpforte fliehen, aus Angst, nicht auf Erlösung, sondern auf noch größeres Unheil zu stoßen.
Mit noch grimmigeren Gesichtern als sonst, begannen die Leute Vorkehrungen für den immer näher rückenden Feind zu treffen. Die Köpfe gesenkt, sammelten sie die letzten Vorräte zusammen, um sie in ihren Häusern zu horten, klebten Fenster zu, um den Wind vom Eindringen abzuhalten und rissen sich alles unter den Nagel, was sie finden konnten, dass sie eventuell vor der aufkommenden Kälte schützen könnte.

Alle waren so mit sich selbst beschäftigt, dass niemand den Wanderer bemerkte, der still und leise durch die kleine Bergpforte in das Tal gestiegen war. Ein kleiner, alter Mann mit einem hohen roten Hut, weißem Bart und buschigen Augenbrauen, unter denen kleine wachsame Augen hervorblitzten. In seiner Hand hielt er einen Wanderstab und er hatte sich einen kleinen ledernen Sack über die Schulter geworfen. Er sah müde aus, denn er musste einen mehr als weiten Fußmarsch hinter sich haben, den außerhalb des Dunkeltals, gab es weder Dörfer noch Städte, die den Bewohnern bekannt waren, oder in einer erreichbaren Nähe waren. Zu einem anderen Zeitpunkt, wäre diese Kuriosität den Bewohnern eventuell aufgefallen und sie hätten den Mann mit Fragen gelöchert, doch heute waren sie noch in sich gekehrter als sonst. Keiner schien Notiz von dem Alten zu nehmen. Dieser stand stocksteif da und beobachtete das Treiben, sah zu wie die Bevölkerung des Tales, sich langsam in ihre Häuser zurückzog und die Straßen immer leerer wurde. Als schließlich der letzte in seinem Haus verschwunden war, verblieb der Mann alleine in der Mitte des Dorfplatzes und machte keine Anstalten sich zu rühren. Mit kalten Fingern, fuhr der eisige Wind ihm durch die Haare und strich ihm über die Falten im alters-und wettergezeichneten Gesicht. Er rüttelte an seinen Klamotten und hätte ihm beinahe den Hut vom Kopf gerissen, hätte er nicht schnell genug nach ihm gegriffen. Fröstelnd blies er sich in die kalten, alterssteifen Hände, als der Schnee zu fallen begann, doch die eisige Hand des Winters schloss sich unaufhaltsam um seine kleine, gekrümmte Gestalt. Um nicht zu erfrieren, klopfte er an das nächstgelegene Haus und wartete, bis dessen Bewohner ihm öffnete. Dieser schob sein kleines mürrisches Gesicht durch den Türspalt und musterte den alten argwöhnisch, von seiner Brust ging nur ein sehr schwaches Leuchten aus. „Was wollen sie hier?“, raunte er böse und griff hinter der Tür bereits nach einem Schürhaken. „Ich bin nur ein alter Wanderer auf der Suche nach einer Unterkunft vor dem aufziehenden Winter. Bitte guter Mann seien sie so gut und nehmen mich auf, ihnen wird im Gegenzug Gutes wiederfahren“, erwiderte der Alte und lächelte den Mann an. „Von Gutem kann ich mir nichts kaufen. Mach das du fort kommst!“, fuhr ihn der Hausbesitzer an und schlug dem Mann die Tür vor der Nase zu. Frierend und sichtlich erschöpft zog der Alte weiter zum nächsten Haus, doch auch dort verwehrte man ihm den Eintritt. Erst als der Sturm immer schlimmer wurde und der Mann kaum noch selbst stehen konnte, kam er an das fünfte Haus, wo ihm ein kleiner schmächtiger Mann die Tür öffnete und den Alten mit großen neugierigen Augen anstarrte. „Guter Mann,“, sprach der Alte, „ich bin nur ein alter erschöpfter Mann auf der Durchreise und suche Zuflucht vor dem Sturm, um nicht zu erfrieren. Ich kam an dieses Haus, in der Hoffnung, dass sie mich einlassen würden.“ Der schmächtige Mann zögerte, das Leuchten in seiner Brust war jedoch heller, als all die anderen Lichter, die der Alte zuvor gesehen hatte und so ließ er nicht locker. „Bitte!“, flehte er „Ich kann ihnen zwar weder Geld, noch Geschmeide geben, aber ich verspreche, dass ihnen als Gegenleistung etwas Gutes wiederfahren wird!“. Da lächelte der andere und öffnete die Tür, sodass der Alte eintreten konnte. Drinnen war es warm, ein kleines Feuer brannte in einer Ecke und es roch im ganzen Haus nach gebratenen Kartoffeln. „Es ist nichts Besonderes,“, entschuldigte sich der Mann, als er die wachsamen Augen des Alten durch den Raum wandern sah, er fühlte sich plötzlich schlecht darüber, dem Fremden nicht mehr anbieten zu können. Ein Gefühl, was ihm bis dahin völlig fremd war und seine Brust zum Kribbeln brachte. Er bat den Alten zu Tisch und beide begannen sie, die Kartoffeln zu verspeisen. Als sie fertig waren, sagte der Mann leise: „Ich weiß nur nicht, ob meine Essensvorräte den ganzen Winter über reichen werden“ und machte ein betretenes Gesicht. Doch der Alte winkte nur ab und versicherte ihm, dass das Essen genau ausreichen würde. Ebenso das Feuerholz, welches der Mann als knapp beschrieben hatte. Und wie durch ein Wunder, reichte das Essen genau bis zu dem Tag, als der Sturm nachließ und die Temperaturen wieder zu steigen begannen, ebenso verhielt es sich wie ein Wunder auch mit dem Feuerholz.

Dem schmächtigen Mann erging es in der Zeit, wo der alte Wanderer bei ihm wohnte sogar besser, als all die Tage und Winter zuvor, sodass er ihn überschwänglich bat zu bleiben. Das Licht in seiner Brust strahlte nun noch heller, als bei ihrer ersten Begegnung, ein kleines Lächeln schien stetig um seine Lippen zu spielen und auch seine Augen hatten zu glänzen begonnen. Doch der Alte verneinte die Bitte und erklärte ihm, dass er dringend seine Reise beenden müsste, dass er schon genug im Zeitverzug war. Und so packte er seinen Wanderstab mit der knochigen alten Hand, setzte den hohen roten Hut auf und strich sich den buschigen Bart zurecht. Er lächelte, als ihn der Mann zur Tür geleitete. Als der Alte in die Dunkelheit des Tages hinaustrat, waren die Straßen bereits wieder voll mit arbeitenden Menschen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten und die Verabschiedung der beiden nicht wahrnahmen. „Vielen Dank für deine Gastfreundschaft.“, lächelte der Alte und legte dem Mann eine Hand auf die Schulter, „Wie versprochen, wird dir nun sehr bald etwas wunderbares wiederfahren!“ Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen und begann den kleinen Weg vom Haus, bis hin zur Straße entlang zu gehen. „Was ist es?“, rief der Mann ihm erschrocken hinterher, entsetzt über den raschen Aufbruch des alten und dessen unklare Formulierung. Doch der alte drehte sich nicht um. Also rief der Mann nun etwas lauter, sodass alle umhergehenden Leute sich zu ihm umdrehten und ihn mit genervten Blicken bedachten, „Guter Mann, woher weiß ich, ob mir etwas Gutes wiederfährt und woran erkenne ich es?“. Da blieb der Alte stehen, drehte sich um und warf dem Verzweifelten einen freundlichen Blick zu. „Mach dir keine Sorgen mein Junge, du wirst es merken. Stell dich nur mitten auf den Dorfplatz und hab keine Angst.“. Dann verschwand der Alte in den Massen und wurde nicht mehr wiedergesehen, der Mann hingegen war wie paralysiert. Ohne Schuhe und Jacke trat er vor seine Tür, er spürte wieder das Kribbeln in seiner Brust, diesmal jedoch stärker wie zuvor. Ungehindert der spöttischen Blicke und der abwertenden Rufe, schritt er bis zum Dorfplatz und dort angekommen, war das Kribbeln kaum noch auszuhalten. Es fühlte sich an, als würden tausende von Bienen in seiner Brust tanzen und er riss es mit einer ruckartigen Bewegung auf, um die Insekten freizulassen. Riss sich das Hemd von der Brust, breitete die Arme aus, streckte den Kopf in den Nacken, um dem Fest in seinem Inneren mehr Raum zu geben, um wieder frei Atmen zu können und in diesem Moment geschah es. Das Leuchten in seiner Brust brach förmlich aus ihm heraus und es war so hell, dass es nicht nur den ganzen Dorfplatz erhellte, sondern auch die dunklen Wolken wegzudrücken vermochte und sich schließlich in den Herzen der gesamten Bürger des Dunkeltals niederließ. Es verdrängte nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Dunkle aus den Herzen der Menschen und hinterließ nichts, als ein warmes Gefühl. Von diesem Tag an, nannte niemand das Tal mehr Dunkeltal, sondern nur noch „Himmelstal“, aus Freude darüber, dass Blau des Himmels zum ersten Mal sehen zu können und mit ihm die Sonne. Die Menschen selbst, tauten aus ihrem Egoismus auf und wurden mit jedem Tag freundlicher und gerechter und es gab beinahe keinen Moment, in dem man nicht irgendwen lauthals Lachen hörte. Der Mann erzählte allen stolz die Geschichte von dem Alten und wie er dem Dunkeltal das Licht gebracht hatte und sie beschlossen, ihm zu Ehren, von nun an im Winter immer ein großes Fest zu veranstalten, bei dem die Bewohner besonders freundlich und hilfsbereit zueinander sind und sich gegenseitig sogar Geschenke machen. Die Angst vorm Winter war gänzlich verschwunden und an ihre Stelle war die Gewissheit gerückt, dass Zusammenhalt und Nächstenliebe der Schlüssel zu einem langen glücklichen Leben sind.
Der alte Mann selbst, betrachtete das Ganze mit einem breiten Lächeln, von seinem Sitz im Himmel aus. Er war auf dem Weg dem Winter mit seiner Sense begegnet, doch statt vor ihm davon zu rennen, hatte er ihn mit offenen Armen, wie einen alten Freund empfangen, denn er wusste, das er am Ende seiner Reise angekommen war. Und so legte er seinen Wanderstab nieder und ergriff dankbar die Hand des Winters, der ihn hinein in den Himmel geleitete, wo er sich noch heute an der Freude der Menschen erfreute, wenn sie ihm zu Ehren im Winter das Fest feierten.Marie Lieser

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