Einsam ist die Blume, von der ich euch heute erzĂ€hlen will. Sie kennt nicht die frohen Tage des FrĂŒhlings noch die duftreichen NĂ€chte des Sommers. Keine flĂŒsternden GefĂ€hrtinnen wachsen neben ihr auf, kein Vogel singt sie in TrĂ€ume. In Schnee und Eis muss sie schauen, der Nordwind streicht ĂŒber sie hin, und das eintönige KrĂ€chzen der Rabenvögel ist ihre Musik.
Die BlĂ€tter rauschen mir Töne und Akkorde zu, sie raunen und rauschen – Silben höre ich, Worte – und nun will ich ihre Geschichte erzĂ€hlen.
Es ist Totensonntag. Auf dem Wege zum Kirchhof geht eine stille dunkle Schar Menschen. sie tragen TotenkrĂ€nze, Tannenreiser und Immortellen, immergrĂŒne Eichen und rote Vogelbeeren. Sie gehen schweigend, als dĂ€chten sie vergangener Tage oder trĂ€umten in banger Hoffnung von kĂŒnftiger Helle. Der letzte im Zug ist ein kleiner Knabe, der auf der Schulter ein grĂŒnes Holzkreuz trĂ€gt, eine schwere Last fĂŒr einen jungen Körper! Es ist ein armseliges Kreuz, roh gefĂŒgt, mit abgeschrĂ€gten Ecken. Des Knaben Blicke aber ruhen liebevoll darauf; seine jungen, ungeĂŒbten HĂ€nde haben wohl selbst das Holz geschnitzt.
Da kĂŒsste der Engel das Kind zum zweiten Male, und ein stiller Schein der Gewissheit kam in die braunen Augen des Knaben. Er rĂŒckte das Kreuzlein noch einmal zurecht, kĂŒsste das Grab seiner Mutter und folgte den andern Leuten, die den Heimweg antraten.
Der Engel aber flog heim zu Gott und brachte ihm den Wunsch des Knaben. „Es ist Winter,“ sprach der Herr, „alle Pflanzen schlafen; soll ich diese Kindes wegen meine ewigen Gesetze Ă€ndern?“ „Deine Allmacht, o Herr, ist gröĂer als dein Gesetz, deine GĂŒte reicher als dein Wille!“ Da lĂ€chelte der Herr, dass die Wolken erstrahlten und ein Klingen durch die Sterne ging. „Komm“, sagte er zum Engel, und sie traten schweigend in den Garten des Paradieses.
Dort blĂŒhen die Blumen, die achtlose HĂ€nde auf Erden fortgeworfen und achtlose FĂŒĂe zertreten haben. Schöner blĂŒhen sie hier im himmlischen Licht als in der irdischen Sonne; und als der Schöpfer zu ihnen trat, reckten sich Ranken und GrĂ€ser ihm entgegen, und die Kelche strömten ĂŒber von Duft und Glanz.
Gott aber trat zu einer weiĂen Lilie, nahm die zitternde aus dem SchoĂe des Himmels, kĂŒsste sie und gab sie dem Engel. „Dem Erdenkinde zur Freude und meinem Sohne zum Angedenken blĂŒhe diese Botin des Himmels kĂŒnftig auf Erden in Eis und Schnee. Die Winde sollen ihren Samen durch die LĂ€nder des Nordens tragen; die WĂ€rme meines Willens ströme durch ihre Wurzeln und bleibe ihr fĂŒr die Dauer der irdischen Zeit!“
„Du aber lege das Zeichen des Todes ab und schĂŒtze den Knaben mit dem warmen Herzen. Breite deine FlĂŒgel um ihn aus, dass der Same, der in seiner Seele keimt, auch in Frost und DĂŒrre nicht ersterbe, und die Blume der Menschenliebe daraus erblĂŒhe; sie ist holder als alle Blumen des Paradieses.“
Dankbar neigte sich der Engel, kĂŒsste des Herrn Gewand und ging seinen Befehlen zu folgen.
So ist die Christblume auf die Erde gekommen, und fromme Menschen fĂŒhlen ihren heiligen Ursprung.
Paula DehmelÂ
đź Dein Guten Morgen Orakel đ
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Sobald es mir möglich ist,werde ich sehr gerne ein Buch,BĂŒcher oder so kaufn.Liebe GrĂŒse YKarin aus Glehn