Der angekettete Elefant: Warum wir uns selbst limitieren (und wie wir uns befreien)
Ein Zirkuselefant, ein kleiner Pflock und ein uraltes Menschheitsrätsel: Warum bleiben wir gefangen in unsichtbaren Ketten? Die berührende Parabel von Jorge Bucay – mit 3 Schritten zur mentalen Befreiung.
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte: Der angekettete Elefant
Der Pflock war allerdings nichts weiter als ein winziges Stück Holz, das kaum ein paar Zentimeter tief in der Erde steckte. Und obwohl die Kette mächtig und schwer war, stand für mich ganz außer Zweifel, dass ein Tier, das die Kraft hatte, einen Baum mitsamt der Wurzel auszureißen, sich mit Leichtigkeit von einem solchen Pflock befreien und fliehen konnte.
Dieses Rätsel beschäftigt mich bis heute. Was hält ihn zurück? Warum macht er sich nicht auf und davon?
Als Sechs- oder Siebenjähriger vertraute ich noch auf die Weisheit der Erwachsenen. Also fragte ich einen Lehrer, einen Vater oder Onkel nach dem Rätsel des Elefanten. Einer von ihnen erklärte mir, der Elefant mache sich nicht aus dem Staub, weil er dressiert sei.Meine nächste Frage lag auf der Hand: „Und wenn er dressiert ist, warum muss er dann noch angekettet werden?“
Ich erinnere mich nicht, je eine schlüssige Antwort darauf bekommen zu haben. Mit der Zeit vergaß ich das Rätsel um den angeketteten Elefanten und erinnerte mich nur dann wieder daran, wenn ich auf andere Menschen traf, die sich dieselbe Frage irgendwann auch schon einmal gestellt hatten.
Vor einigen Jahren fand ich heraus, dass zu meinem Glück doch schon jemand weise genug gewesen war, die Antwort auf die Frage zu finden: Der Zirkuselefant flieht nicht, weil er schon seit frühester Kindheit an einen solchen Pflock gekettet ist.
Ich schloss die Augen und stellte mir den wehrlosen neugeborenen Elefanten am Pflock vor. Ich war mir sicher, dass er in diesem Moment schubst, zieht und schwitzt und sich zu befreien versucht. Und trotz aller Anstrengung gelingt es ihm nicht, weil dieser Pflock zu fest in der Erde steckt.
Ich stellte mir vor, dass er erschöpft einschläft und es am nächsten Tag gleich wieder probiert, und am nächsten Tag wieder, und am nächsten… Bis eines Tages, eines für seine Zukunft verhängnisvollen Tages, das Tier seine Ohnmacht akzeptiert und sich in sein Schicksal fügt.
Dieser riesige, mächtige Elefant, den wir aus dem Zirkus kennen, flieht nicht, weil der Ärmste glaubt, dass er es nicht kann. Allzu tief hat sich die Erinnerung daran, wie ohnmächtig er sich kurz nach seiner Geburt gefühlt hat, in sein Gedächtnis eingebrannt. Und das Schlimmste dabei ist, dass er diese Erinnerung nie wieder ernsthaft hinterfragt hat. Nie wieder hat er versucht, seine Kraft auf die Probe zu stellen.
Jorge Bucay
Der Pflock, der alles erklärt
Der Elefant flieht nicht, weil er es nicht mehr versucht:
- Als Baby kämpfte er vergeblich gegen den Pflock.
- Die Erinnerung an seine Ohnmacht brannte sich ein.
- Jetzt – trotz seiner Kraft – glaubt er, der Pflock halte ihn.
„Das Schlimmste: Er hinterfragt es nie wieder.“
Was der Elefant über UNS verrät: 3 psychologische Wahrheiten
1. Gelernte Hilflosigkeit
Psychologen nennen es „learned helplessness“:
🔹 Beispiel: Menschen in toxischen Jobs/Beziehungen, die nicht gehen, weil sie denken: „Es hat ja doch keinen Zweck.“
2. Unsichtbare Ketten
Deine „Pflöcke“ sind oft nur Glaubenssätze:
- „Das schaffe ich nie.“
- „Ich bin nicht gut genug.“
3. Die Macht der Gewohnheit
Das Gehirn mag Bekanntes – auch wenn es schadet.
Wie du dich selbst befreist – 3 Schritte
1. Erkunde deine „Pflöcke“
Frage: „Wovon bin ich überzeugt, das vielleicht gar nicht stimmt?“
➡️ Liste limitierende Glaubenssätze auf (z. B. „Ich bin kein kreativer Mensch“).
2. Teste die Kette
Experiment:
- Wähle einen „Pflock“ (z. B. „Ich kann nicht kündigen“).
- Handle einmal entgegen der Überzeugung (z. B. Bewerbungen schreiben).
3. Bau neue Erinnerungen
Jede kleine Befreiung überschreibt die alte Ohnmacht.
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