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Der verhexte Ring – Italienisches Märchen aus Venedig

🤖 Fragen zum Nachdenken:
Mut zeigt sich oft im Kleinen – wenn wir weitermachen, obwohl wir Angst haben. Genau das spricht dieser Spruch an.

Märchen sind seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil der Kultur. Sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben und spiegeln Humor, Weisheit und gesellschaftliche Werte wider. Das italienische Märchen „Der verhexte Ring“ stammt aus der Region Venedig und gehört zur Kategorie der Schwänke – also heiteren Geschichten mit einer überraschenden Wendung. Märchenliebhaber schätzen diese Geschichten nicht nur wegen ihrer skurrilen Figuren, sondern auch wegen der tiefen Symbolik, die hinter den lustigen Begebenheiten steckt.


Der verhexte Ring – Vollständiger Märchentext

(Land: Italien · Region: Venedig)

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Es war einmal eine grose Wiese, und auf dieser Wiese lag ein schöner Kuhfladen. Da kamen drei Feen vorbei, und eine Von ihnen sagte zu den beiden andern, dass sie diesen Kuhfladen taufen wolle, damit er ein schönes junges Mädchen werde. Die zweite Fee sagte, sie werde diesem Mädchen einen Ring geben; und die dritte Fee sagte, sie werde diesen Ring verhexen, so dass, wer ihn trüge, nur ein Wort sprechen könne: Merda! (Scheisse!) Und in der Tat verwandelte sich dieser Kuhfladen in ein schönes junges Mädchen, das wie eine Königin gekleidet war mit einem Diadem auf der Stirne. Und die drei Feen gingen davon, während das Mädchen auf der Wiese zurückblieb. 
Nun kam dort zufällig ein König vorbei, und der König machte dem hübschen jungen Mädchen viele Komplimente, aber sie antwortete auf alles nur: »Merda!« 
Der König fragte das Mädchen, ob es nicht in seinen Wagen steigen wolle, und sie nickte mit dem Kopf und sagte nichts anderes als: »Merda, Merda.« 
Das Mädchen war aber so schön und so liebreizend, daß der König es mit nach Hause nahm. Und er sagte zu seiner Mutter dass er das Mädchen heiraten wolle. Die Mutter aber antwortete, dass sie so ein Mädchen nicht zur Schwiegertochter haben wolle, weil es keine Erziehung habe. Aber der König sagte, dass er das Mädchen begehre und dass es ja das, was es nicht wüsste, lernen könne. Und er hat es in der Tat so gemacht und hat sich bald darauf verheiratet. 
Es kommt ein Sonntag und die ganze Gesellschaft macht sich auf den Weg in die Messe. Alle Leute, die in der Kirche waren, begeisterten sich für das schöne Mädchen, und viele Herren machten ihr Komplimente. Aber sie wusste auf alles nicht anders zu antworten als: 
»Merda.« 
Indessen ging der Sakristan in der Kirche mit dem Klingelbeutel herum, und alle Leute warfen ihr Scherflein hinein. Als der Sakristan zu unserm Mädchen kam, hatte sie auch nicht einen Pfennig, und um keinen geizigen Eindruck zu machen, zog sie den Ring ab, den sie am Finger trug, und warf ihn in den Klingelbeutel. Der Pfarrer, der zufällig gesehen hatte, wie das Mädchen den Ring in den Klingelbeutel warf, gab dem Sakristan einen Wink, er solle zu ihm auf die Kanzel kommen, die er gerade bestiegen hatte. Der Sakristan gehorchte ihm und ging zu ihm hinauf. Darauf nahm der Pfarrer den Ring aus dem Klingelbeutel und steckte ihn sich an den Finger. Nach einem kurzen Seufzer wandte er sich den Gläubigen zu, um ihnen zu sagen: »Meine geliebten Brüder.« Aber weil er den Ring am Finger hatte, konnte er nichts anderes sagen als: »Merda, Merda, Merda.« 
Man kann sich gut vorstellen, was für einen Aufruhr das Volk in der Kirche gemacht hat! Alle schrien: »Er ist verrückt, er ist verrückt!« Aber jener fuhr fort, nichts anderes zu sagen als: »Merda, Merda!« 
Daraufhin gingen die Leute auseinander, der eine hierhin, der andere dahin, und auch der König kehrte mit seiner Gemahlin nach Hause zurück. Aber von dem Augenblick ab begann das Mädchen zu reden, wie es alle anderen Leute machen, und zur grossen Zufriedenheit ihrer Schwiegermutter vergass sie ganz und gar das „Merda«.
 
Quelle: Die Märchen der Weltliteratur, F. Karlinger, Italienische Märchen, Diederichs, 1973. Nach: D. G. Bernoni: Fiabe populari Veneziani Venezia 1873 Anmerkung: Dieser im Dialekt erzählte Zauberschwank kennt nur wenige Varianten. Meist wird jemand zur Strafe für eine böse Tat verwunschen, so dass er nur ein unanständiges Wort sprechen oder das Geschrei eines Tieres von sich geben kann.


Analyse und Bedeutung des Märchens

Ursprung und Einordnung

Das Märchen „Der verhexte Ring“ wurde 1873 von Domenico Giuseppe Bernoni in seiner Sammlung Fiabe popolari veneziani aufgezeichnet. Es wurde später in die Reihe Märchen der Weltliteratur aufgenommen. Schwänke wie dieser waren in Italien sehr beliebt, weil sie mit Humor gesellschaftliche Missstände, kirchliche Autoritäten oder menschliche Schwächen karikierten.

Themen und Symbole

  • Der Ring: Symbol für Bindung und Macht, aber auch für Abhängigkeit.
  • Das Wort „Merda“: Ein Tabubruch, der die Unfähigkeit zur Kommunikation darstellt und gleichzeitig die Absurdität gesellschaftlicher Zwänge entlarvt.
  • Die Kirche: Dass sogar ein Pfarrer vom Fluch betroffen ist, zeigt die satirische Komponente des Märchens.

Moral

Am Ende löst sich der Zauber, sobald der Ring die Hand wechselt. Das Märchen vermittelt:

  • Schönheit allein genügt nicht, ohne Sprache und Ausdruck ist ein Mensch unvollständig.
  • Macht und Status können durch Magie oder Zufall ins Lächerliche gezogen werden.
  • Lachen ist ein Weg, mit gesellschaftlichen Regeln umzugehen.

Häufige Fragen (FAQ)

Was ist die Moral des Märchens „Der verhexte Ring“?
Die Moral liegt im Spott über gesellschaftliche Konventionen: Schönheit, Status und sogar die Kirche werden lächerlich gemacht, wenn Sprache fehlt oder Regeln blind befolgt werden.

Woher stammt das Märchen „Der verhexte Ring“?
Es stammt aus Venedig, wurde von Domenico Giuseppe Bernoni 1873 gesammelt und später von F. Karlinger in „Italienische Märchen“ (1973) veröffentlicht.

Welche Märchen sind ähnlich?
Ähnlich sind andere Schwankmärchen wie „Die kluge Bauerntochter“ oder „Hans im Glück“, die ebenfalls Humor, Übertreibung und gesellschaftliche Satire enthalten.

Für wen ist dieses Märchen geeignet?
Es richtet sich eher an ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene, da es Humor und Anspielungen enthält, die nicht für ganz kleine Kinder gedacht sind.

Was passiert im Märchen „Der verhexte Ring“?
Ein Kuhfladen wird von drei Feen in ein wunderschönes Mädchen verwandelt. Doch ein verhexter Ring sorgt dafür, dass sie nur ein einziges Wort sagen kann: „Merda“. Diese komische Situation führt zu vielen Missverständnissen, bis der Zauber schließlich gebrochen wird.

Warum sagt die Hauptfigur immer nur „Merda“?
Der Ring, den sie von den Feen bekommt, ist verflucht. Solange sie ihn trägt, kann sie nur dieses eine Wort sprechen – egal, wie sie eigentlich antworten möchte.

Ist das Märchen für Kinder geeignet?
Es ist eher ein Schwankmärchen mit Humor, Ironie und einem Tabuwort. Für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist es unterhaltsam. Für kleine Kinder ist es nicht unbedingt gedacht.

Welche Bedeutung hat das Märchen?
Es zeigt auf lustige Weise, wie wichtig Sprache und Ausdruck sind. Gleichzeitig nimmt es Schönheitsideale und sogar kirchliche Autoritäten aufs Korn.

Woher stammt das Märchen?
Das Märchen kommt aus Venedig in Italien. Es wurde im 19. Jahrhundert von Domenico Giuseppe Bernoni gesammelt und ist Teil der italienischen Volkstradition.


Fazit

Das Märchen „Der verhexte Ring“ ist ein humorvoller Schwank aus Italien, der zeigt, wie Magie, Sprache und gesellschaftliche Konventionen in einer satirischen Geschichte miteinander verwoben sind. Für Märchenliebhaber, Lehrer, Schüler und Kulturinteressierte ist es ein spannendes Beispiel dafür, wie bunt und vielfältig die Welt der Märchen ist.

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