Von meinem Vater habe ich das beste Erbteil erhalten, nämlich eine gute Laune. Und wer war mein Vater? Ja, das geht den Humor nichts an! Er war lebhaft und wohlbeleibt, fett und rund, sein ĂuĂeres und Inneres, stand mit seinem Amte gänzlich im Widerspruch. Und was war er seines Amtes und seiner Stellung nach in der bĂźrgerlichen Gesellschaft? Ja, wenn es im Anfange eines Buches gleich niedergeschrieben und gedruckt wĂźrde, so wĂźrden Mehrere, wenn sie es lesen, das Buch zur Seite legen und sagen, es sieht mir so unheimlich aus, ich mag nichts von der Art. Und doch war mein Vater weder Schinder noch Scharfrichter; im Gegenteil, sein Amt stellte ihn an die Spitze der rĂźhmlichsten Männer der Stadt, und er war dort ganz in seinem Rechte, ganz an seinem Platze; er muĂte der Vorderste sein, vor dem Bischof, vor den Prinzen von GeblĂźt â und er war der Vorderste â er war Leichenwagenkutscher.
Nun ist’s heraus! und das kann ich bekennen, daĂ, wenn man meinen Vater dort hoch oben auf dem Omnibus des Todes sitzen sah, bekleidet mit seinem langen, weiten, schwarzen Mantel, mit dem schwarzgarnierten, dreieckigen Hute auf dem Kopfe, und dazu mit seinem Gesichte, welches leibhaftig aussah wie man die Sonne zeichnet, rund und lachend, dann konnte man nicht an Trauer und Grab denken; das Gesicht sagte: Âťes macht nichts, macht nichts, â es wird viel besser, als man glaubt!ÂŤ
Seht, von ihm habe ich meine gute Laune und die Gewohnheit angenommen, gar oft nach dem Kirchhofe zu gehen: und das ist sehr amĂźsant, wenn man nur mit gutem Humor dorthin kommt, â und dann halte ich das Intelligenzblatt, so wie auch er es tat.
Ich bin nicht jung, â ich habe weder Weib, Kinder noch eine Bibliothek, aber, wie gesagt, ich halte das Intelligenzblatt, das ist mir genug, es ist mir das liebste Blatt, und war es meinem Vater auch; es hat seinen groĂen Nutzen, und bringt Alles, was ein Mensch zu wissen nĂśtig hat: wer in den Kirchen, und wer in den neuen BĂźchern predigt; und dann die viele Wohltätigkeit, und die vielen unschuldigen, harmlosen Verse, die es enthält! Ehen, welche gesucht werden und Stelldichein, auf welche man sich einlaĂt! Alles einfach und natĂźrlich! Man kann wahrlich sehr gut und glĂźcklich leben und sich begraben lassen, wenn man das Intelligenzblatt hält â schlieĂlich hat man am Ende seines Lebens so viel Papier, daĂ man weich darauf liegen kann, wenn man es nicht liebt auf Hobelspänen zu ruhen.
Das Intelligenzblatt und der Kirchhof waren immer meine, den Geist am meisten weckenden, Spaziergänge, meine beliebtesten Badeanstalten fßr den guten Humor.
Jeder kann nun fĂźr sich das Intelligenzblatt durchwandern: aber geht mit mir nach dem Kirchhofe; laĂt uns dorthin gehen, wenn die Sonne scheint, und die Bäume grĂźn sind; laĂt uns zwischen den Gräbern wandeln. Jedes derselben ist ein geschlossenes Buch mit dem RĂźcken nach oben, man kann den Titel lesen, welcher besagt, was das Buch enthält, und doch nichts sagt; aber ich weiĂ Bescheid, weiĂ es von meinem Vater und von mir selbst. Ich habe es in meinem Grabbuche, und das ist ein Buch, welches ich selbst zum Nutzen und VergnĂźgen gemacht habe; dort liegen sie Alle beisammen, und noch Einige mehr!
Nun sind wir auf dem Kirchhofe.
Hier, hinter dem weiĂ bemalten Stabgitter, wo einst ein Rosenstrauch stand, â jetzt ist er fort, aber ein wenig ImmergrĂźn vom Grabe des Nachbars streckt seine grĂźnen Finger hinein, um doch ein wenig Staat zu machen, â ruht ein sehr unglĂźcklicher Mann, und doch stand er sich, als er lebte, wie man zu sagen pflegt, gut; er hatte sein gutes Auskommen und noch mehr, aber die Welt, das heiĂt die Kunst, ging ihm zu nahe. SaĂ er eines Abends im Theater, um mit ganzer Seele zu genieĂen, so war er auĂer sich, wenn der Maschinenmeister nur ein zu starkes Licht in eine der Wangen des Mondes setzte, oder wenn die Luftsoffiten vor den Kulissen hingen, wenn sie dahinter hängen sollten, oder wenn eine Palme im Berliner Tiergarten vorkam, oder Kaktus in Tyrol und Buchen hoch oben in Norwegen erschienen! Bleibt sich das nicht gleich? Wer kĂźmmert sich um so etwas! Es ist ja KomĂśdie, bei welcher man sich amĂźsieren soll. â Bald klatschte ihm das Publikum zu viel, bald zu wenig. ÂťDas ist nasses Holz,ÂŤ sagte er, Âťes will heute Abend nicht zĂźnden!ÂŤ als dann kehrte er sich um, um zu sehen, was fĂźr Leute es wären, und dann sah er, daĂ sie zu unrechter Zeit lachten, wo sie nicht lachen sollten; darĂźber ärgerte er sich, litt dabei, war ein unglĂźcklicher Mensch, und nun ruht er im Grabe.
Hier schlummert ein sehr glĂźcklicher Mann, das soll heiĂen, ein sehr vornehmer Mann, von hoher Geburt, und das war sein GlĂźck, denn sonst wĂźrde nie etwas aus ihm geworden sein, aber Alles ist so weise in der Natur angeordnet, daĂ es ein VergnĂźgen ist, daran zu denken. Er schritt vorn und hinten gestickt einher, und war im Saale untergebracht, so wie man den kostbaren, perlengestickten Klingelzug anbringt, hinter dem immer eine gute, dicke Schnur, welche den Dienst verrichtet, hängt; er hatte auch eine gute Schnur hinter sich, einen Substituten, der den Dienst verrichtete, und ihn noch, hinter einem neuen, gestickten Klingelzuge, verrichtet. Alles ist weise eingerichtet, daĂ man wohl einen guten Humor haben kann.
Hier ruht, ja, das ist nun freilich sehr traurig â! hier ruht ein Mann, der siebenundsechzig Jahre darĂźber nachgedacht hat, wie er auf einen guten Einfall komme; er lebte nur um einen guten Einfall zu bekommen; endlich bekam er wirklich nach eigener Ăberzeugung einen, und wurde so froh darĂźber, daĂ er starb, vor Freude starb, ihn bekommen zu haben; Keiner hatte Nutzen davon, Keiner hĂśrte den guten Einfall. Ich kann mir nun denken, daĂ er wegen des guten Einfalles nicht einmal Ruhe im Grabe hat, denn gesetzt, es wäre ein Einfall, den man nur beim FrĂźhstĂźck sagen kĂśnnte, wenn er von Wirkung sein sollte, und daĂ er als Toter, der allgemeinen Meinung nach, nur um Mitternacht erscheinen kann, so paĂt der Einfall nicht fĂźr die Zeit, Niemand lacht, und der Mann kann mit seinem guten Einfalle wieder ins Grab steigen. Das ist ein trauriges Grab.
Hier ruht eine sehr geizige Frau; während sie lebte, stand sie in der Nacht auf und miaute, damit die Nachbarn glauben sollten, daà sie sich Katzen hielte: so geizig war sie!
Hier ruht ein Fräulein aus guter Familie; es muĂte in Gesellschaften immer seine Stimme hĂśren lassen, und dann sang es: Âťmi manca, la voce!ÂŤ das war die einzige Wahrheit in ihrem Leben!
Hier ruht eine Jungfrau â eines anderen Schlages! Wenn der Kanarienvogel des Herzens zu schmettern beginnt, dann steckt die Vernunft die Finger in die Ohren. SchĂśn Jungfrau stand in des Ehestands Glorie â! das ist eine Alltagshistorie â aber es ist hĂźbsch gesagt: LaĂ die Toten ruhen.
Hier ruht eine Wittfrau, welche Schwanengesang im Munde und Eulengalle im Herzen trug. Sie ging in den Familien auf Raub nach Fehlern ihres Nächsten aus, sowie in alten Tagen das Reibeisen umher ging, um ein Rinnsteinbrett zu finden, welches nicht da war.
Hier ist ein FamilienbegräbniĂ; jedes Glied dieses Geschlechts hielt so im Glauben zusammen, daĂ, wenn auch die ganze Welt und die Zeitung dazu sagte: so ist’s, und der kleine Sohn kam nun aus der Schule und sagte: Âťich habe es auf die Weise gehĂśrt!ÂŤ so war die seinige die einzig richtige, denn er war von der Familie. Und gewiĂ ist’s, daĂ, wenn es sich so traf, daĂ der Hofhahn der Familie um Mitternacht krähte, so war es Morgen, wenn auch der Wächter und alle Uhren der Stadt verkĂźndeten, daĂ es Mitternacht sei.
Der groĂe Goethe schlieĂt seinen Faust damit: Âťkann fortgesetzt werden,ÂŤ das kann unsere Wanderung nach dem Kirchhofe auch. Dahin komme ich oft, macht Einer oder der Andere meiner Freunde oder Nichtfreunde mir es zu bunt, gehe ich hinaus, suche einen Rasenplatz auf, und weihe denselben ihm oder ihr, irgend einer Person, die ich zu begraben wĂźnsche, dann begrabe ich sie sogleich, und sie liegen tot und machtlos da, bis sie als neuere und bessere Menschen zurĂźck kommen. Ihr Leben und ihre Taten, nach meiner Art und Weise betrachtet, schreibe ich in mein Grabbuch, und so sollten alle Menschen verfahren, sie sollten sich nicht ärgern, wenn Jemand es ihnen zu toll macht, sondern ihn sogleich begraben, auf ihren guten Humor halten, und auch auf das Intelligenzblatt, auf dieses, vom Volke selbst oft mit ÂťgefĂźhrter HandÂŤ geschriebene Blatt.
Kommt die Zeit, daĂ ich selbst, sowie meine Lebensgeschichte, im Grabe eingebunden werden soll, dann setze man mir die Inschrift: Das ist meine Geschichte.
đŽ Dein Guten Morgen Orakel đ
Starte deinen Tag mit einem inspirierenden Spruch aus unserem Guten Morgen Orakel. Lass dich motivieren, neue Chancen zu ergreifen, Hindernisse zu Ăźberwinden und deinen Tag mit positiven Gedanken zu beginnen! đ