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"Das Leben besteht nicht darin, zu warten, dass der Sturm vorbeizieht, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen."

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Das Gutspferd und das Bauernpferd | Ein Märchen aus Estland

Ein Märchen aus Estland über ein Zugpferd, Gutspferd
Ein Märchen aus Estland über ein Zugpferd, Gutspferd
Das Gutspferd und das Bauernpferd waren gute Freunde. Wann immer sie sich trafen, grüßten sie einander höflich. Hatten sie aber ein Weilchen frei, setzten sie sich nieder und plauderten gemeinsam. Eines Tages aber konnte das Gutspferd seine Eitelkeit nicht bremsen, und es sagte zum Bauernpferd: »Was bist du, Brüderchen, doch von niederer Herkunft. Bald ziehst du den Wagen, bald die Egge, bald den Pflug! Du stinkst ja entsetzlich nach Schweiß! Schau her, wie ich es mache, und nimm dir ein Beispiel an mir. Ich fresse reinen Hafer und fahre nur stolze Herrschaften aus. Sieh, was für schlanke und schöne Beine ich hab! Sieh, wie nett und sauber meine Hufe sind! Sieh, wie mein Fell glänzt, wie mein Nacken sich wölbt und wie die weiße Blesse an meiner Stirn strahlt und leuchtet! Wie fein bin ich doch neben dir, Brüderchen, oder nicht?« — »Ja, ja, du bist wirklich fein«, nickte das Bauernpferd. »Ich weiß es. Du brauchst es mir nicht erst zu sagen!« rief das Gutspferd, und seine Eitelkeit kannte keine Grenzen. »Und würdest du erst sehen, wie bezaubernd ich im Trab laufe! Und wie flink ich bin! Die Erde schwindet unter meinen edlen Hufen, wenn ich vor dem leichten Federwagen im Galopp davonsause. Du, Brüderchen, wirst wohl nicht sehr flink laufen können?« — »Nein, nein, das kann ich nicht.« “ — »Ich weiß es. Du brauchst es mir gar nicht erst zu sagen. Du wirst wohl kaum ein Schaf besiegen, würdest du mit ihm um die Wette laufen.« — »Ein Schaf wohl kaum, aber dich ganz bestimmt. «Eine so freche Antwort ärgerte das Gutspferd sehr. Es prustete voll Verachtung, stampfte mit den Hufen und schlug vor: »Wir wollen es probieren.« — »Gut, wollen wir«, sprach das Bauernpferd und war einverstanden. Sie liefen in die Koppel und vereinbarten, so lange im Kreis zu laufen, bis sie müde wurden. Wer nicht mehr laufen konnte, hatte verloren, wer es länger schaffte, war der Sieger.

Das Gutspferd warf den Kopf in den Nacken und sauste davon. Bald hatte es die erste Runde hinter sich, holte das Bauernpferd ein und setzte an ihm vorbei. Dabei wieherte es laut und spottete: »O welch Wunder! Du läufst ja immer noch und willst dich gar nicht ausruhen!« — »Nein, nein, noch nicht!« antwortete das Bauernpferd. Bald hatte das Gutspferd auch die zweite Runde hinter sich; es holte
das Bauernpferd ein und setzte an ihm vorbei. Wieder wieherte es laut und spottete: »Oho, welch Wunder! Du läufst ja immer noch und willst dich gar nicht ausruhen!« — »Nein, nein, noch nicht!« antwortete das Bauernpferd. Als das Gutspferd das Bauernpferd nach der dritten Runde einholte, wieherte es schon viel leiser, spottete über den Freund aber wie vorher: »Oho-och! Welch… Wunder! Du läufst… ja immer noch… und willst dich… gar nicht… ausruhen.« — »Nein, nein, noch nicht«, antwortete das Bauernpferd und fragte: »Woher aber kommt es, Freund, dass du so keuchst?« — »Bin gerade über einen Grashügel gestolpert«, sagte das Gutspferd. Bei der vierten Runde sagte das Gutspferd nichts, sondern lief stillschweigend am Bauernpferd vorbei. Das Bauernpferd fragte: »Woher kommt es, Freund, dass du so pustest?« — »Bin eben über einen Baumstumpf gestolpert«, sagte das Gutspferd.

Bei der fünften und sechsten Runde schaffte es das Gutspferd gar nicht mehr, das Bauernpferd einzuholen. Nach der siebenten Runde aber holte das Bauernpferd das Gutspferd ein. Holte es ein, galoppierte vorbei und fragte: »Woher kommt es, Freund, dass du mich vorbeilässt?« — »Ich habe da einen Gedanken, den muss ich mir gründlich überlegen«, antwortete das Gutspferd. Nach der achten Runde aber bog das Gutspferd von der Wettlaufstrecke ab, legte sich nieder und wälzte sich ausgiebig. Das Bauernpferd fragte: »Es wird doch nichts Schlimmes sein?« — »Eine Bremse hat sich unter die Mücken gemischt, sie hat mich so stark gestochen, dass es mir bis ins Mark fuhr. Werde sie vertreiben und dann wieder weiterlaufen — wir haben ja Zeit.« — »Du hast recht, wir haben Zeit«, nickte das Bauernpferd und setzte seinen Weg fort.

Während der neunten Runde hatte das Gutspferd seinen Lauf immer noch nicht fortgesetzt, es schlenderte verschämt zwischen den Büschen umher und zupfte Grashälmchen. »Es wird doch nicht schon Mahlzeit sein, lieber Freund?« fragte das Bauernpferd. »Ja, der Nebel steigt, mir wurde so flau zumute. Halte du, Bruder, nun auch ein, bis zum Morgen ist Zeit genug, um zu laufen«, sagte das Gutspferd. »Warte, warte noch ein Weilchen, noch etwa zehn Runden und noch ein Dutzend, ich bin ja noch nicht einmal richtig warm geworden«, antwortete das Bauernpferd.

Von diesem Abend an soll das Gutspferd sich nicht mehr so gebrüstet haben.

Ein Märchen aus Estland 

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