Der alte Zauberer und seine Kinder – Ein MĂ€rchen von Ludwig Bechstein

Der alte Zauberer und seine Kinder -ein MĂ€rchen
Novellen - Kurzgeschichten - BĂŒcher - Daniela Noitz

Es lebte einmal ein böser Zauberer, der hatte vorlĂ€ngst zwei zarte Kinder geraubt, einen Knaben und ein MĂ€gdlein, mit denen er in einer Höhle ganz einsam und einsiedlerisch hauste. Diese Kinder hatte er, Gott sei es geklagt, dem Bösen zu geschworen, und seine schlimme Kunst ĂŒbte er aus einem Zauberbuch, das er als seinen besten Schatz verwahrte.

Wenn es nun aber geschah, dass der alte Zauberer sich aus seiner Höhle entfernte und die Kinder allein in der selben zurĂŒck blieben, so las der Knabe, welcher den Ort erspĂ€ht hatte, wohin der Alte das Zauberbuch verbarg, in dem Buch und lernte daraus gar manchen Spruch und manche Formel der Schwarzkunst und lernte selbst ganz trefflich zaubern.

Weil nun der Alte die Kinder nur selten aus der Höhle ließ und sie gefangen halten wollte bis zu dem Tage, wo sie dem Bösen zum Opfer fallen sollten, so sehnten sie sich um so mehr von dannen, berieten miteinander, wie sie heimlich entfliehen wollten, und eines Tages, als der Zauberer die Höhle sehr zeitig verlassen hatte, sprach der Knabe zur Schwester:

»Jetzt ist es Zeit, Schwesterlein! Der böse Mann, der uns so hart gefangen hĂ€lt, ist fort, so wollen wir uns jetzt aufmachen und von dannen gehen, soweit uns unsere FĂŒĂŸe tragen!«

Dies taten die Kinder, gingen fort und wanderten den ganzen Tag. Als es nun gegen den Nachmittag kam, war der Zauberer nach Hause zurĂŒck gekehrt und hatte sogleich die Kinder vermisst. Als bald schlug er sein Zauberbuch auf und las darin, nach welcher Gegend die Kinder gegangen waren, da hatte er sie wirklich fast eingeholt; die Kinder vernahmen schon seine zornig brĂŒllende Stimme, und die Schwester war voller Angst und Entsetzen und rief:

»Bruder, Bruder! Nun sind wir verloren; der böse Mann ist schon ganz nahe!« Da wandte der Knabe seine Zauberkunst an, die er gelernt hatte aus dem Buch; er sprach einen Spruch, und als bald wurde seine Schwester zu einem Fisch, und er selbst wurde ein großer Teich, in welchem das Fischlein munter herum schwamm.

Wie der Alte an den Teich kam, merkte er wohl, dass er betrogen war, brummte Ă€rgerlich: »Wartet nur, wartet nur, euch fange ich doch!« und lief spornstreichs nach seiner Höhle zurĂŒck, Netze zu holen, und den Fisch darin zu fangen. Wie er aber von hinnen war, wurden aus dem Teich und Fisch wieder Bruder und Schwester, die bargen sich gut und schliefen aus, und am anderen Morgen wanderten sie weiter, und wanderten wieder einen ganzen Tag.

Als der böse Zauberer mit seinen Netzen an die Stelle kam, die er sich wohl gemerkt hatte, war kein Teich mehr zu sehen, sondern es lag eine grĂŒne Wiese da, in der es wohl Frösche, aber keine Fische zu fangen gab; da wurde er noch zorniger wie zuvor, warf seine Netze hin und verfolgte weiter die Spur der Kinder, die ihm nicht entging, denn er trug eine Zaubergerte in der Hand, welche ihm den richtigen Weg zeigte.

Und als es Abend war, hatte er die wandernden Kinder beinahe wieder eingeholt; sie hörten ihn schon schnauben und brĂŒllen, und die Schwester rief wieder: »Bruder, lieber Bruder! Jetzt sind wir verloren, der böse Feind ist dicht hinter uns!« Da sprach der Knabe wiederum einen Zauberspruch, den er aus dem Buch gelernt, und da ward aus ihm eine Kapelle am Weg und aus dem MĂ€gdlein ein schönes Altarbild in der Kapelle.

Wie nun der Zauberer an die Kapelle kam, merkte er wohl, dass er abermals geĂ€fft war, und lief fĂŒrchterlich brĂŒllend um die selbe herum; er durfte sie aber nicht betreten, weil das immer im Pakt der Zauberer mit dem Bösen stand, dass sie niemals eine Kirche oder eine Kapelle betreten durften.

»Darf ich dich auch nicht betreten, so will ich dich doch mit Feuer anstoßen und auch zu Asche brennen!« schrie der Zauberer und rannte fort, sich aus seiner Höhle Feuer zu holen.

WÀhrend er nun fast die ganze Nacht hindurch rannte, wurden aus der Kapelle und dem schönen Altarbild wieder Bruder und Schwester; sie bargen sich und schliefen, und am dritten Morgen wanderten sie weiter und wanderten den ganzen Tag, wÀhrend der Zauberer, der einen weiten Weg hatte, ihnen aufs neue nachsetzte.

Als er mit seinem Feuer dahin kam, wo die Kapelle gestanden, stieß er mit der Nase an einen großen Steinfelsen, der sich nicht mit Feuer anstoßen und zu Asche verbrennen ließ, und dann rannte er mit wĂŒtenden SprĂŒngen auf der Spur der Kinder weiter fort.

Gegen Abend war er ihnen nun ganz nahe, und zum dritten Mal zagte die Schwester und gab sich verloren; aber der Knabe sprach wieder einen Zauberspruch, den er aus dem Buch gelernt, da ward er eine harte Tenne, darauf die Leute dreschen, und sein Schwesterlein war in ein Körnlein verwandelt, das wie verloren auf der Tenne lag.

Als der böse Zauberer heran kam, sah er wohl, dass er zum dritten Mal geÀfft war, besann sich aber diesmal nicht lange, lief auch nicht erst wieder nach Hause, sondern sprach auch einen Spruch, den er aus dem Zauberbuch gelernt hatte; da ward er in einen schwarzen Hahn verwandelt, der schnell auf das Gerstenkorn zu lief, um es aufzupicken.

Aber der Knabe sprach noch einmal einen Zauberspruch, den er aus dem Buch gelernt hatte, da wurde er schnell ein Fuchs, packte den schwarzen Hahn, ehe er noch das Gerstenkorn aufgepickt hatte, und biss ihm den Kopf ab, da hatte der Zauberer, wie dies MĂ€rlein, gleich ein Ende.

Ludwig Bechstein 
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