🎻 Der Geiger | Geschichte zum Advent

Der Geiger - eine <a href=
Novellen - Kurzgeschichten - BΓΌcher - Daniela Noitz
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Ein junger Musiker war an mich empfohlen, er war Geiger bei einer Kapelle. Es war nur wenige Wochen vor Weihnachten , als er nach Riga gekommen war. Er stand vor mir, noch fast ein Knabe, es war sein erster Ausflug in die Welt. Freunde von mir, die sich fΓΌr seine Ausbildung interessierten, schrieben, dass ich mich seiner annehmen sollte. Es war ein schΓΆnes, dunkles Knabengesicht, in das ich schaute, als er vor mir stand, mit wunderbaren Augen, die mich halb trotzig, halb Γ€ngstlich ansahen. Halb trotzig , halb Γ€ngstlich war auch sein ganzes Wesen. Er wollte so gern den KΓΌnstler markieren, der seinen hohen Flug beginnt. Aber hinter der wallenden KΓΌnstlermΓ€hne und den etwas flotten Worten fΓΌhlte ich ein Γ€ngstlich schlagendes Knabenherz. Es war etwas an ihm, das einem Lust machte, ihn an die Hand zu fassen, sachte mit mΓΌtterlicher Hand ΓΌber seine KΓΌnstlermΓ€hne zu streichen und ihm ganz einfach zu sagen: „Komm nur, du sollst bei mir ein StΓΌck Heimat finden.“
Er kam fast tΓ€glich zu mir, denn sein Leben bedrΓΌckte und beΓ€ngstigte ihn. Es war so viel Unreifes in ihm, soviel Ahnungslosigkeit von dem, worauf es im Leben ankam. Er war noch wie ein großes Kind. In den ersten Tagen vertraute er mir sofort eine unglΓΌckliche „Lebensliebe“ an, die ihn aus Deutschland in die Fremde getrieben hatte, und an der er zugrunde zu gehen schwor. Als ich es wagte, die Sache nicht gar zu tragisch zu nehmen, war er beleidigt und kam tagelang nicht zu mir, und es dauerte lange, bis ich ihn versΓΆhnt hatte. Und nun kam Weihnachten heran. Er hatte den ganzen Tag frei und kam schon frΓΌh am Morgen zu mir. Ich ΓΌbergab ihm den Schmuck des Weihnachtsbaumes, er half beim Backen in der KΓΌche. Bei all den Vorbereitungen hatte er bald sein stolzes KΓΌnstlertum vergessen, das er sonst wie einen Mantel umgehΓ€ngt hatte. Mit glΓΌhendem Eifer lief er durch die Zimmer, ließ sich noch auf letzte vergessene Besorgung schicken, kam mit hochroten Wangen und erfrorenen HΓ€nden wieder heim, lief immer hinter mir drein, um mir zu versichern, es sei ein wunderschΓΆner Tag.

Meine alte Tante, die bei mir lebte, war ganz beglΓΌckt ΓΌber das helle, frohe Knabenlachen, das durch die Zimmer klang. Als wir um den Mittagstisch saßen, erklΓ€rte ich, bis halb sechs mΓΌssten die Vorbereitungen beendet sein, denn dann ziehen wir alle in die Kirche zum Festgottesdienst. „Ich gehe nicht in die Kirche“, sagte er wichtig, indem er den Kopf zurΓΌckwarf, „ich halte nichts davon, außerdem bin ich katholisch, ich mag nicht die lutherischen Gottesdienste.“
„Haben Sie schon einen mitgemacht?“ fragte ich, „kennen Sie unsere Festgottesdienste?“ Er schlug verlegen die Augen nieder. „Nein“, sagte er ein wenig kleinlaut. „Nun, dann probieren Sie es doch einmal“, meinte ich freundlich. Um halb sechs stand er fertig gerΓΌstet vor mir. „Wenn Sie mich mitnehmen“, sagte er leise, „mΓΆchte ich wohl gern in die Kirche mit Ihnen.“
Als wir in unserem alten Dom standen, den die Gemeinde dicht gedrΓ€ngt Kopf an Kopf fΓΌllte, wurde es still. Es war ein liturgischer Gottesdienst; wunderbarer Chorgesang klang durch den Raum. Dazwischen verlas der Pastor die Weihnachtsgeschichte, und wir sangen Weihnachtslieder. Auf dem Altar standen die riesengroßen TannenbΓ€ume voll Lichterglanz. Ich streifte heimlich meinen Nachbarn mit den Blicken, er hatte sich ganz vergessen, sich, seinen Katholizismus, seinen Widerspruch und seinen Trotz. Versunken stand er neben mir, mit dem Blick auf die WeihnachtsbΓ€ume, verloren in der Weihe der Stunde, mit einem wunderschΓΆnen Ausdruck in seinen großen, strahlenden Augen. Als zum Schluss der Chorgesang leise erklang: „Stille Nacht, heilige Nacht!“, da sah ich, wie seine Lippen bebten. Ich hatte einen großen Strauß FrΓΌhlingsblumen bei mir, der zu einer Kranken gebracht werden sollte. Wir gingen zusammen bis vor die TΓΌr der Kranken, dann bat ich ihn, hineinzugehen und ihr den Strauß zu bringen. „Aber geben Sie ihn selbst in ihre HΓ€nde“, sagte ich. Es dauerte lange, bis er wieder zu mir trat. „Nun?“ fragte ich. Er konnte zuerst nicht reden. „Ich war bei der Kranken“, sagte er endlich bewegt, „und gab ihr den Strauß. Sie hat mich gar nicht gefragt, wer ich sei, von wo ich kΓ€me, sie hat sich nur gefreut.“ Schweigend wanderten wir durch die verschneiten Straßen meiner Wohnung zu. Heller Lichterglanz schien auf unserem Wege, und in den HΓ€usern zΓΌndete man schon die WeihnachtsbΓ€ume an. Mein GefΓ€hrte schwieg. „Welch ein merkwΓΌrdiger Tag“, sagte er plΓΆtzlich, „mir ist`s, als ob es wirklich Frieden auf Erden wΓ€re.“
Und nun kam auch bei uns die Stunde des Bescherens. Meine alte Tante und mein SchΓΌtzling waren „die Kinder“, die hinter der TΓΌr harren mussten, bis das Zeichen zum Herankommen erklang. Und dann ΓΆffnete sich die TΓΌr und wir sangen: „Von Himmel hoch, da komm ich her!“, und unser Junge bekam seine Geschenke, die ihn in einen Freudenrausch versetzten. Nach dem Abendessen saßen wir im Weihnachtszimmer, es duftete nach Tannen, nach Wachs und all den FrΓΌhlingsblumen, die das Zimmer fΓΌllten. Da ging ihm das Herz auf, und er erzΓ€hlte von „zu Hause“, ein trostloses, ΓΆdes Bild entwarf er uns. Streit zwischen den Eltern, keine Liebe, kein Verstehen; im erbitterten Kampf ums Dasein war in ihrem Hause alle Liebe4 erloschen und mit der Liebe die Freude. Wir hΓΆrten still zu, als sich so Bild auf Bild vor unseren Augen entrollte von seinem Leben, in dem die Sonne gefehlt hatte, und dessen Alltag von keinem Glanz durchstrahlt war. Nun schwieg er. „Armes Kind!“ sagte ich unwillkΓΌrlich, das Schweigen brechend. Da bΓΌckte er sich tief und barg sein Gesicht aufschluchzend in seine HΓ€nde. Es war ganz still im Zimmer. Man hΓΆrte nur das Knistern eines brennenden kleinen Tannenzweiges, der einem Lichtlein zu nahe gekommen war, und das Schluchzen, das aus seiner jungen Seele brach. Dann ließ er die HΓ€nde herabsinken und hob sein trΓ€nenΓΌberstrΓΆmtes Gesicht empor. „Ich habe noch nie ein Weihnachtsfest gehabt“, sagte er, „jetzt weiß ich es, dieses war mein erstes Weihnachtsfest.“

Monika Hunnius

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1 Kommentar zu β€žπŸŽ» Der Geiger | Geschichte zum Adventβ€œ

  1. Sehr schΓΆn❗Es gibt Erlebnisse welche man noch nie hatte.❗Man sie wenn sie da waren,NIE vergisst.So gut,schΓΆn kΓΆnnen sie gewesen sein.
    Ich freue mich immer,WENN Weihnachten Frieden ist.Gesundheit da ist.FREUDE❗Nicht, weil fette Geschenke da sind.
    Liebe Gedanken in diesen Tagen fΓΌr diese TageπŸ’™.Alles Liebe πŸ’—πŸŒΊ KARINπŸ’™

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