Das Geldschwein – ein Märchen von Hans Christian Andersen

Das Geldschwein - Ein Märchen von Hans Christian Andersen
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

In der Kinderstube lag eine Menge Spielzeug umher; auf dem Kleiderschranke stand die Sparbüchse, welche von Thon und beim Töpfer gekauft war, und zwar in der Gestalt eines kleinen Schweines; sie hatte natürlicherweise eine Spalte im Rücken und mit einem Messer war diese Spalte so erweitert, daß auch harte Thalerstücke durchschlüpfen konnten, und es waren schon außer vielen Groschen zwei solcher durchgeschlüpft. Das Geldschwein war dermaßen vollgestopft, daß es nicht mehr klappern konnte, und das ist das Höchste, wozu ein Geldschwein es zu bringen vermag. Da stand es nun oben auf dem Schranke, hoch und erhaben, und blickte herab auf Alles, was sich sonst in der Stube befand; es wußte gar wohl, daß es mit dem, was es im Magen hatte, den ganzen Kram hätte kaufen können, und das nennt man ein gutes Bewußtsein haben.

Daran dachten gleichfalls die Andern, wenn sie es auch nicht aussprachen; es gab ja manches Andere zu besprechen. Der Commodekasten war halb ausgezogen und dort zeigte sich eine große hübsche Puppe, wenn sie auch etwas alt und im Halse genietet war; sie schaute hinaus und sagte: »Jetzt wollen wir Menschen spielen, das ist doch immer Etwas!« und nun gerieth Alles in Aufruhr, selbst die eingerahmten Schildereien an der Wand kehrten sich um und zeigten, daß sie auch eine Kehrseite hatten, aber sie thaten es keineswegs um zu protestiren.

Es war tief in der Nacht, der Mond schien durch die Fensterscheiben und verlieh die billigste Beleuchtung. Das Spiel sollte nun beginnen, und Alle, selbst der Kinderwagen, der doch jedenfalls zu dem gröberen Spielzeuge zählte, wurde zur Betheiligung aufgefordert.

»Jeder hat seinen besonderen Werth!« sagte der Wagen, »wir können nicht alle von Adel sein! Es müssen welche da sein, die was schaffen, wie man sagt.«

Das Geldschwein war der Einzige, an den eine schriftliche Einladung erging, es stand zu hoch und man war der Ansicht, es würde die mündliche Aufforderung nicht annehmen; es antwortete auch nicht und sagte nicht ob es sich einstellen würde, und es stellte sich nicht ein; wenn es mit dabei sein solle, müsse es das Spiel vom Hause aus genießen, darnach könnten sie sich richten, und das thaten sie auch.

Das kleine Puppentheater wurde nun so aufgestellt, daß das Geldschein gerade hineinschauen konnte; sie wollten mit Komödie anfangen, und später sollte Theegesellschaft und Verstandesübung sein, doch begannen sie mit dieser letzteren sofort; das Schaukelpferd sprach vom Training und Vollblut, der Kinderwagen von Eisenbahnen und Dampfkraft – schlug das doch Alles in ihr Fach und es gehörte also dazu, daß sie davon sprachen. Die Stutzuhr sprach von Politik – tik – tik! sie wußte was die Glock‘ geschlagen, wenn man sich auch zuflüsterte, sie ginge nicht richtig; der Rohrstock stand steif und stolz da, sich auf seine messingene Zwinge und seinen silbernen Knopf etwas einbildend, war er doch beschlagen oben und unten; auf dem Sopha lagen zwei gestickte Kissen, hübsch und dumm – und nun ging die Komödie an.

Alle saßen und schauten dem Spiele zu, und es wurde gebeten, man möge knallen, klatschen und lärmen, je nachdem man Vergnügen habe. Aber die Reitgerte sagte, sie knalle nie für die Alten, immer nur für die Jungen, die noch keinen Bräutigam hätten. »Ich knalle für Alles,« sagte die Knallerbse. »Irgendwo muß man doch sein!« meinte der Spucknapf; das waren nun so die Gedanken, die Jeder hegte, während er der Komödie zuschaute. Das Stück taugte nichts, aber es wurde gut gespielt; sämmtliche Spielende kehrten die bemalte Seite dem Publikum zu, sie waren so gemacht, daß man sie nur von dieser Seite und nicht von der Kehrseite sehen durfte; und Alle spielten ausgezeichnet, über die Lampen hinaus, der Draht war ein wenig zu lang, aber dann thaten sie sich auch um so mehr hervor. Die genietete Puppe »war ganz hin« so sehr »hin«, daß sie an der genieteten Stelle am Halse wieder aus einander ging, und das Geldschwein war in seiner Weise dermaßen entzückt, daß es den Entschluß faßte, Etwas für einen der Künstler zu thun, ihn in seinem Testamente zu bedenken als Denjenigen, welcher mit ihm zusammen in der Familiengruft beigesetzt werden solle, das heißt wenn es erst so weit wäre.

Es war ein wahrer Genuß, ein so wahrer, daß man auf den Thee verzichtete und es bei der Verstandesübung bewenden ließ, das nannte man Menschen spielen und darin war durchaus keine Bosheit, denn sie spielten eben nur – und Jeder dachte blos an sich und daran, was wohl das Geldschwein denken möchte. Das Geldschwein dachte am längsten, es dachte ja an Testament und Begräbniß – und wann käme dieses wohl zu Stande – immerhin viel eher als man es erwartet hätte. – Knack! fiel es vom Schranke herunter, fiel auf den Fußboden und zersprang in Scherben, und die Groschen tanzten und hüpften, daß es eine Lust war, die kleinsten drehten sich wie ein Kreisel, die großen rollten davon, namentlich der eine harte Silberthaler wollte in die Welt hinaus. Und er kam auch in die Welt hinaus, und das gelang ihnen Allen insgesammt; die Scherben vom Geldschweine wurden in das Kehrichtfaß gethan, aber auf dem Schranke stand wieder Tags darauf ein neues irdenes Geldschwein; es hatte noch keinen Heller im Magen, weshalb es denn auch nicht klappern konnte, und hierin ähnelte es dem andern, das war immerhin ein Anfang – und mit dem wollen wir ein Ende machen.

Hans Christian Andersen
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