Ein Weib ist schlimmer als der Teufel | Ein Märchen aus Litauen

Märchen aus Litauen: ein Weib ist
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

Auf einem Hofe lebte ein junger Wirt, der hatte eine schöne junge Frau geheiratet. Und sie passten auch sonst so gut zueinander, dass niemals und zu keiner Stunde je ein böses Wort zwischen ihnen gesagt worden ist, sondern sie sprachen immer liebevoll zueinander, und sie küssten sich immerzu und zu jeder Zeit. Da geschah es einmal, dass der Teufel, der überall herumstreift, auch das junge Paar besuchte. Er wunderte sich nicht wenig über die unsagbar grosse Eintracht zwischen ihnen und trachtete, sie zu stören, doch das gelang ihm nicht, wie sehr er es auch auf allerlei Weise versuchte.

Als er nun lange Zeit alles vergebens probiert hatte, da wurde er furchtbar wütend und machte sich spuckend davon und ging seiner Wege. Als er so dahinzog, traf er eine alte Frau, die auf ihrem Bettelgang unterwegs war .

Sie fragte ihn:
„Gevatter, was spuckst du denn so arg?“
Der Teufel brauste auf und antwortete :
„Ach, lass mich in Frieden und frag mich nicht, denn du kannst mir ja doch nicht helfen!“
„Warum denn?“ antwortete die Frau. “ Wir Weiber wissen sehr viel und verstehen sehr viel. Sage nur frei heraus, was dir fehlt, vielleicht kann ich auch dir helfen, wie ich schon vielen geholfen habe.“

Der Teufel denkt: Warte mal! Sollte das alte Weib wirklich so schlau sein? Und er erzählt ihr nun seinen ganzen Kummer und sagte:
„Stell dir nur einmal vor, ich habe fast ein halbes Jahr hier auf diesem Hof bei diesen Jungvermählten herumgehockt, die in solch großer Eintracht leben, und wollte sie irgendwie entzweien und gegeneinander aufbringen, doch ich habe trotz allem und auf keine Weise und nirgendwie etwas ausrichten können – und basta! Da soll ich nun nicht wütend sein, wo ich eine so lange Zeit vergeudet und trotzdem nichts erreicht habe?“

Das Weib antwortete ihm:
„Das ist mir aber wirklich eine lächerliche Kleinigkeit, hier will ich dir Ehre machen!“
Der Teufel war darüber hocherfreut und fragte das Weib, was er ihr dafür geben sollte.
Das alte Weib antwortete:
„Ich will nichts weiter als nur ein Paar Bastschuhe und ein Paar neue Salzburger Schuhe! “
Der Teufel versprach, ihr das alles, schön und haltbar gemacht, zu geben. Nachdem sie sich so besprochen hatten, trennten sich die beiden, doch das Weib rief ihm beim Fortgehen noch zu, ja nicht so weit wegzuwandern, denn sie wollte noch heute etwas unternehmen und ausrichten.

Nun ging sie zu dem Hof zu der jungen Hausfrau. Die war gerade allein zu Hause, ihr Mann pflügte auf dem Acker. Das Weib ging in die Stube und bat zuerst um ein Almosen, und als sie das bekommen hatte, fing sie an, mit süsser Stimme sich einzuschmeicheln und allerlei Torheiten zu reden:
„Ach, du mein liebes Herzchen, wie bist du mir so schön und lieblich! Dein liebes Männlein, so scheint mir, kann sich über dich nur von Herzen freuen. Ich weiß sehr wohl, daß ihr schön und einträchtig zusammen lebt wie sonst niemand auf der ganzen Welt. Aber mein Hühnchen, mein Töchterchen, ich will dir sagen, daß ihr in noch schönerer Eintracht leben könnt und euch das ganze Leben lang kein einziges böses Wort sagen werdet!“
Die junge Frau freute sich und bat das Weib, sie das Geheimnis zu lehren, sie würde sie auch reichlich beschenken.

Das Weib sagte:
„Auf dem Kopfe deines Mannes unweit des Haarwirbels wächst ein graues Haar. Das mußt du ihm ganz nahe an der Kopfhaut, doch ohne daß er etwas merkt, abschneiden, dann werdet ihr euer ganzes Leben lang nicht nur in solch einer Liebe leben wie bisher, sondern in einer noch viel größeren !“
Die junge Frau glaubte, das wäre die Wahrheit, und sie fragte das Weib, wie sie das ohne Wissen ihres Mannes machen könnte. Jene sagte:
“ Wenn du deinem lieben Männlein das Mittagessen hinbringst, dann sage ihm, daß er seinen Kopf auf deinen Schoß legen und ein Mittagsschläfchen halten soll. Und wenn er eingeschlafen ist, dann hole das Rasiermesser aus der Tasche und schneide das graue Haar ab.“

Das gefiel der jungen Frau alles sehr wohl, und nachdem sie das Weib reich beschenkt und sich bei ihr herzlich bedankt hatte, ließ sie sie wieder gehen.
Das Weib verließ sie und ging zu dem Manne auf den Acker, wo er pflügte.
„Guten Tag, mein liebes Vögelchen, guten Tag!“
„Danke, danke, liebe Alte!“

Als die beiden sich so begrüßt hatten, bat das Weib ihn, ein bißchen Halt zu machen, denn vielleicht müßten auch die Öchslein sich ein wenig verschnaufen. Er hielt auch wirklich an.
„Und was möchtest du, liebe Alte?“

Sie sagte:
„Ach, du mein liebes Kindchen, mein Herzlein, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich erschreckt habe und wie sehr ich weinen musste!“
Der Mann sagte:
„Aber was ist dir denn, sag es mir nur ruhig!'“
Das Weib weinte und sagte:
„Ich weiß, du lebst mit deinem Frauchen in grosser Eintracht, aber ach, Gott erbarme dich, sie will dir die Kehle durchschneiden und einen anderen heiraten, der viel reicher ist als du. Ich war eben bei ihr, und da habe ich diese ganze Abscheulichkeit gesehen und gehört.“

Der Mann erschrak sehr über ihre Worte und fragte das alte Weib, ob sie nicht wüsste, wann und wie seine Frau das machen wollte.

Die Alte sagte:
„Heute um die Mittagszeit, wenn sie dir das Essen bringt, dann wird sie ein Rasiermesser in ihrer Tasche haben. Und dann wird sie dir sagen, daß du nach dem Essen deinen Kopf in ihren Schoss legen möchtest, um ein Mittagsschläfchen zu halten, und wenn du dann eingeschlafen bist, dann wird sie dir die Kehle durchschneiden.“

Der Mann dankte ihr vielmals und versprach, sie dafür ein andermal reichlich zu beschenken. Und das Weib ging weiter , doch nur bis zum Roggenfeld, denn hier wollte sie sich verstecken und von weitem zusehen, wie sich die beiden Leute um die Mittagszeit raufen würden.

Als nun die Mittagsstunde gekommen war, da holte sie sich das Rasiermesser ihres Mannes und steckte es in ihre Tasche. Aber ihr Mann erwartete mit grosser Unruhe die Mittagszeit, denn er wollte wissen, ob das alles Wahrheit war, was die Alte ihm erzählt hatte.

Als sie zu ihm gekommen war, umarmten sich beide und tauschten süsse Küsse, wie sie es gewöhnt waren. Und dann setzte er sich, um Mittag zu essen.

Als er gegessen hatte, sagte sie zu ihm:
„Komm her und lege dein liebes Köpfchen in meinen Schoss und halt ein Mittagsschläfchen, denn du bist doch von der Arbeit am Vormittag müde geworden.“

Er machte das denn auch und tat bald so, als ob er schliefe, denn schon jetzt meinte er, daß alles wahr sei, was die Alte ihm gesagt hatte. Als sie nun schon meinte, daß er schliefe, zog sie langsam das Rasiermesser aus der Tasche, um ihm das graue Haar abzuschneiden. Doch da er nicht schlief, merkte er das sofort und – schwupp – wie der Blitz sprang er auf und jetzt – hast du nicht gesehen -zapp! ihr an den Kopf, riß die Frauenhaube herunter, griff ihr in die Haare und fing an, ihr schrecklich die Haare zu raufen, sie zu schlagen und sie mit furchtbaren Worten zu beschimpfen:

„Du Teufelsfratze, du Verbrecherin, du Bestie, du Mörderin, hast du mir nur deshalb so schön getan und gesagt, daß du mich liebst, um mich desto eher umbringen zu können ? Jetzt werde ich’s dir aber zeigen und heimzahlen, damit dir in Zukunft solche teuflische Abscheulichkeit nicht mehr in den Sinn kommt !“
Sie bat und beteuerte, soviel sie nur immer konnte, aber das half alles nichts. Er schlug sie, solange er nur Kräfte hatte, bis er vom Prügeln müde geworden war.

Der Teufel lauerte unweit, hinter einen Stein geduckt, und als er die schmerzlichen Hiebe sah, da klatschte er in die Hände und brach in schallendes Gelächter aus. Doch danach schüttelte ihn ein Schauer vor dieser Bosheit, und er fühlte Abscheu vor der gemeinen Schlauheit des alten Weibes, und er dachte bei sich: Sieh mal an, das Weib ist böser als ich! Warum schmähen die Leute bei allem Bösen und allen Nöten immer nur den Teufel, während doch, wie man sieht, solche alten Weiber viel schrecklichere Untaten begehen als ich!

Die versprochenen Bastschuhe und Salzburger Schuhe gab er ihr zwar, doch er brachte eine furchtbar lange Stange mit und hängte die Schuhe an das äußerste Ende, hielt es der Alten hin und sagte :
„Ich kann nicht nahe zu dir herankommen, denn mir scheint, du könntest auch mich verblenden und betrügen, denn ich sehe jetzt, du bist böser und gerissener als ich.“

Und als sie die Schuhe genommen hatte, da schleuderte er die Stange fort und stürmte, wie aus der Kanone geschossen, eiligst von dannen. Doch das alte Weib ging ihres Weges und freute sich, daß sie schlauer gewesen war als der Teufel und daß ihn die Angst vor ihr gepackt hatte und er vor ihr davongelaufen war.

Ein Märchen aus Litauen 

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