Die Ziegen | Ein Märchen aus Lettland

Ziegen - Märchen aus Lettland
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz
Es war einmal ein altes Ehepaar. Eines Abends hatten sie sich gestritten, und als die Frau in der Nacht rausging zum Pinkeln, schloss der Mann hinter ihr die Tür von innen ab. Als sie zurückkam und merkte, dass sie nicht mehr ins Haus kam, legte sie ihrerseits den Riegel von außen vor, und nun konnte der Alte nicht mehr heraus. Die Frau aber ging fort in den Wald.

Lange, lange, wanderte sie durch den Wald, bis sie an eine Hütte kam, die einsam mitten im Wald stand. Sie ging hinein und sah, dass es innen ganz schmutzig war, der Fußboden lag voller Mist. Die Frau nahm einen Besen und fegte die Stube sauber, dann zündete sie den Herd an und kochte eine gute Grütze, aß etwas davon und kroch hinter den Ofen zum Schlafen. In dem Haus aber wohnten Ziegen, die kamen abends zurück und wunderten sich, dass ihre Stube warm und sauber war und die Grütze fertig auf dem Herd stand. Sie wollten zu gerne wissen, wer das für sie getan hatte und beratschlagten, dass am nächsten Tag das Böckchen mit den vier Augen zurückbleiben und aufpassen sollte. Die Alte hinter dem Ofen hörte alles, was sie sagten.

Am nächsten Tag ließen die Ziegen das Böcklein mit den vier Augen zum Aufpassen zurück und sprangen davon. Da fing die Frau hinter dem Ofen an zu murmeln:

„Schließ, Böcklein, ein Äugelein, schließ das andre Äugelein, schließ das dritte, schließ das vierte!“

Da machte das Böcklein erst ein Äuglein zu, dann das zweite, dann das dritte und das vierte… Daraufhin kroch die Frau hinter dem Ofen hervor, zündete den Herd an, fegte die Stube sauber, kochte Essen und kroch schließlich wieder hinter den Ofen und schlief. Die Ziegen kamen nach Hause und fragten: „Hast Du aufgepasst, Böcklein?“ Es antwortete: „Nein, ich bin eingeschlafen!“ Da nahmen die Ziegen das Böcklein, schlugen es tot und hingen es in der Stube auf.

Am nächsten Tag ließen sie dann das Böcklein mit den fünf Augen zum Aufpassen zurück. Sobald sie fort waren, fing die Frau hinter dem Ofen wieder an zu murmeln:

„Schließ, Böcklein, ein Äugelein, schließ das andre Äugelein, schließ das dritte, schließ das vierte“,

aber das fünfte Äuglein vergaß sie, oder vielleicht wusste sie auch nicht, dass es fünf Augen hatte. So bleib das fünfte Auge offen. Sie kroch wieder hinter dem Ofen hervor, fegte die Stube rein, machte Feuer im Herd, kochte dicke Grütze, aß sich satt, kroch zurück hinter den Ofen und schlief gleich ein. Die Ziegen kamen zurückgesprungen und fragten das Böcklein:

– „Hast du aufgepasst, Böcklein?“
– „Habe ich, Ziegen!“
– „Na und wer tut uns nun dies Gute?“
– „Die alte Frau, die hinterm Ofen liegt!“

Da gingen sie alle zum Ofen und riefen:

„Liebe Alte, komm heraus! Hab keine Angst! Wir tun dir nichts! Du hast uns so viel Gutes getan!“

Sie kroch hinter dem Ofen hervor und die Ziegen sagten:

„Liebe Alte, bleib doch für immer bei uns wohnen, wir werden für dich sorgen, du sollst immer genug zu essen haben, bleib doch hier, liebe Alte!“

Sie antwortete:

„Liebe Ziegen, ich habe einen Mann, der ist schon ziemlich alt, ich muss zu ihm gehen!“

„Dann geh zu ihm, aber komm zurück! Wenn er nicht schießen kann, dein Alter, dann bring ihn mit, dann soll er auch hier wohnen. Wenn er nicht schießen kann, darf er kommen, aber wenn er schießen kann, dann nicht!“

Da sagt sie:

„Liebe Ziegen, er kann nicht schießen, ich bringe ihn mit!“

Sie kochte eine dicke Grütze für ihren Alten und machte sich auf den Weg. Als sie bei ihrer Hütte angekommen war, kletterte sie auf den Dachboden, riss ein Brett heraus und warf ein Löffelchen Grütze runter, genau auf das Bett – der alte Mann lag nämlich im Bett, er war ganz ausgehungert, er hat ja schon tagelang nichts gegessen. Nun fiel ihm die Grütze direkt in den Mund. Er sah sich um und dachte, es geschehe ein Wunder. Das war bestimmt der liebe Gott, der ihm da Grütze vom Himmel warf. Laut sagte er:

„Lieber Gott, wirf mir noch ein Löffelchen herab!“

Die Frau warf ihm noch ein Löffelchen Grütze in den Mund, und er sagte:

„Lieber Gott, wirf noch ein drittes Löffelchen herab!“

Da sagte die Alte auf dem Dachboden:

„Nein, Alter, das ist nicht der liebe Gott, das bin ich! Vielleicht machst du jetzt mal die Tür auf und lässt mich rein?“

Er machte sogleich die Tür auf, sie ging hinein, gab ihm noch mehr Grütze und sagte:

„Komm, Alter, wir gehen jetzt zu den Ziegen!“

Sie ging mit ihrem Alten zu den Ziegen. Als sie dort waren, machte sie Feuer im Herd und kochte Fleisch, viel Fleisch, von dem Böcklein, das die Ziegen erschlagen hatten. Der Alte war so ausgehungert, dass er das ganze Böcklein aufaß. Dann kroch er hinter den Ofen und schlief. Die Ziegen kamen nach Hause gesprungen, sie freuten sich, dass die Alte sie nicht enttäuscht hatte, dass sie zurückgekommen war und ihren Alten mitgebracht hatte. Jetzt würden sie gut leben.

In der Nacht, als alle schliefen, fing der Alte hinterm Ofen an zu furzen. Die Ziegen bekamen eine fürchterlichen Schreck und rannten davon. Sie dachten, der Alte schießt! Die Alte rannte ihnen hinterher und rief:

„Liebe Ziegen, lauf doch nicht weg! Er hat nicht geschossen, er hat bloß gefurzt!“

Die Ziegen waren aber schon weit gelaufen und hörten sie nicht mehr. Da lief die Alte zurück in die Stube, nahm einen Stock und schlug auf den Alten ein:

„Warum hast du die Ziegen verjagt?“

„Ich hab doch nur im Schlaf gefurzt!“

Die Alte aber schlug auf ihn ein, sie schlug und schlug, bis sie ihn erschlagen hatte. Da kamen die Ziegen zurück, und nun lebten sie mit der Alten zusammen und leben da noch heute.

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