Das Gutspferd warf den Kopf in den Nacken und sauste davon. Bald hatte es die erste Runde hinter sich, holte das Bauernpferd ein und setzte an ihm vorbei. Dabei wieherte es laut und spottete: »O welch Wunder! Du läufst ja immer noch und willst dich gar nicht ausruhen!« — »Nein, nein, noch nicht!« antwortete das Bauernpferd. Bald hatte das Gutspferd auch die zweite Runde hinter sich; es holte
das Bauernpferd ein und setzte an ihm vorbei. Wieder wieherte es laut und spottete: »Oho, welch Wunder! Du läufst ja immer noch und willst dich gar nicht ausruhen!« — »Nein, nein, noch nicht!« antwortete das Bauernpferd. Als das Gutspferd das Bauernpferd nach der dritten Runde einholte, wieherte es schon viel leiser, spottete über den Freund aber wie vorher: »Oho-och! Welch… Wunder! Du läufst… ja immer noch… und willst dich… gar nicht… ausruhen.« — »Nein, nein, noch nicht«, antwortete das Bauernpferd und fragte: »Woher aber kommt es, Freund, dass du so keuchst?« — »Bin gerade über einen Grashügel gestolpert«, sagte das Gutspferd. Bei der vierten Runde sagte das Gutspferd nichts, sondern lief stillschweigend am Bauernpferd vorbei. Das Bauernpferd fragte: »Woher kommt es, Freund, dass du so pustest?« — »Bin eben über einen Baumstumpf gestolpert«, sagte das Gutspferd.
Bei der fünften und sechsten Runde schaffte es das Gutspferd gar nicht mehr, das Bauernpferd einzuholen. Nach der siebenten Runde aber holte das Bauernpferd das Gutspferd ein. Holte es ein, galoppierte vorbei und fragte: »Woher kommt es, Freund, dass du mich vorbeilässt?« — »Ich habe da einen Gedanken, den muss ich mir gründlich überlegen«, antwortete das Gutspferd. Nach der achten Runde aber bog das Gutspferd von der Wettlaufstrecke ab, legte sich nieder und wälzte sich ausgiebig. Das Bauernpferd fragte: »Es wird doch nichts Schlimmes sein?« — »Eine Bremse hat sich unter die Mücken gemischt, sie hat mich so stark gestochen, dass es mir bis ins Mark fuhr. Werde sie vertreiben und dann wieder weiterlaufen — wir haben ja Zeit.« — »Du hast recht, wir haben Zeit«, nickte das Bauernpferd und setzte seinen Weg fort.
Während der neunten Runde hatte das Gutspferd seinen Lauf immer noch nicht fortgesetzt, es schlenderte verschämt zwischen den Büschen umher und zupfte Grashälmchen. »Es wird doch nicht schon Mahlzeit sein, lieber Freund?« fragte das Bauernpferd. »Ja, der Nebel steigt, mir wurde so flau zumute. Halte du, Bruder, nun auch ein, bis zum Morgen ist Zeit genug, um zu laufen«, sagte das Gutspferd. »Warte, warte noch ein Weilchen, noch etwa zehn Runden und noch ein Dutzend, ich bin ja noch nicht einmal richtig warm geworden«, antwortete das Bauernpferd.
Von diesem Abend an soll das Gutspferd sich nicht mehr so gebrüstet haben.
Ein Märchen aus Estland
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