Die kleine Meerjungfrau – ein MĂ€rchen von Hans Christian Andersen

Die kleine Meerjungfrau - ein MĂ€rchen von Hans Christian Andersen
Novellen - Kurzgeschichten - BĂŒcher - Daniela Noitz

Es war einmal in dem tiefen ,blauen Meer ein Meereskönig , der in einem Palast aus bunten Muscheln und schimmernden Perlen wohnte. Er hatte fĂŒnf wunderschöne Töchter , die Seejungfrauen waren , so daß sie statt der Beine einen Fischschwanz hatten. Seine jĂŒngste Tochter wurde Sirene genannt. Sie war nicht nur die schönste von ihren Schwestern, nein, sie verfĂŒgte auch ĂŒber eine ĂŒberaus sĂŒĂŸe Stimme. Wenn sie sang, kamen die bunt glitzernden Fische herbeigeschwommen, die Muscheln öffneten sich, um ihre Perlen zu zeigen, und die Quallen standen still im Wasser, um dem zauberhaften Gesang zu lauschen. Oft schaute die kleine Seejungfrau dabei hinauf zur WasseroberflĂ€che wo sich die Sonnenstrahlen brachen und sich glitzernd spiegelten. Je mehr die Sonnenstrahlen dabei zu ihr hinunter auf den Grund drangen umso mehr wĂŒnschte sich die Seejungfrau einmal, wenigstens einmal hinauf zur WasseroberflĂ€che hinaufsteigen zu dĂŒrfen. Ihre Sehnsucht wurde immer grĂ¶ĂŸer und sie rief: Oh, wie schön muß es sein einmal hinauf zu steigen. All die schönen BĂ€ume und den blauen Himmel zu bewundern. Wie gerne möchte ich den Duft der WĂ€lder, Blumen und Wiesen zu riechen und was erst wĂŒrde ich geben, um nur einmal einen Mensch sehen zu dĂŒrfen! Noch war sie dafĂŒr zu jung, aber ihr Vater der Meerkönig hatte ihr versprochen daß sie an ihrem 15ten Geburtstag zur MeeresoberflĂ€che aufsteigen dĂŒrfe.

So kam es, daß die kleine Meerjungfrau sich in Geduld ĂŒben mußte und auf die ErzĂ€hlungen ihrer Ă€lteren Geschwister angewiesen war. So war es auch nicht verwunderlich, daß jedes Mal wenn ihre Ă€lteren Schwestern von ihren AusflĂŒgen an die MeeresoberflĂ€che zurĂŒckkehrten, ihr alles erzĂ€hlen mußten. Dann lauschte die kleine Sirene neugierig den Worten ihrer Geschwister und ließ sich alles ganz genau berichten, was sie dort oben gesehen hatten. Doch bis auch sie endlich nach oben durfte, vertrieb sich die kleine Seejungfrau die Wartezeit mit der Pflege des Meeresgarten. Hier hegte und pflegte sie die Meerespflanzen, ritt auf ihrem Lieblingsdelfin oder sang eines ihrer schönen Lieder und dachte dabei voller Sehnsucht und Ungeduld an die mit diesen herrlichen Sonnenstrahlen erleuchtete, helle Welt dort oben ĂŒber der WasseroberflĂ€che. Endlich war der so sehnsĂŒchtig erwartete Tag da! Sie hatte ihren 15 Geburtstag erreicht, und ihr Vater strich seiner jĂŒngsten Tochter liebevoll ĂŒber das Haar, steckte ihr eine funkelnde BernsteinblĂŒte ins Haar und legte ihr danach auch noch eine sanft rosa schimmernde Perlenkette um den Hals und sagte: So, meine liebe Tochter, jetzt darfst auch du zum erstenmal hinaufsteigen. Doch vergiß dabei nicht, daß die Welt dort oben nicht die unsrige ist! Wir dĂŒrfen diese Welt zwar beobachten aber nicht an ihr teilhaben! Denn die Menschen haben eine Seele, wir aber sind Kinder des Meeres!

Dann gab er seiner jĂŒngsten Tochter noch einen warmen zĂ€rtlichen Kuß und fĂŒgte, wĂ€hrend er ihr mit gĂŒtigen Blick in die Augen schaute: Vergeße nie, daß die Menschen uns nur UnglĂŒck bringen. Deshalb darfst du sie zwar beobachten, aber du darfst dich ihnen nie zeigen! Nachdem der Vater geendet hatte, gab ihm seine Tochter einen lieben Kuß auf die Wange und schwamm so schnell nach oben, daß die neugierigen Fische ihr kaum noch folgen konnten. Kaum war die kleine Meerjungfrau aus den Wellen aufgetaucht, blickte sie hinauf zu dem sich langsam rötlich verfĂ€rbenden Himmel und kam ob der sich ihr offenbarenden Schönheit aus dem Staunen nicht heraus. Zu schön war das Bild das sich ihr bot. Die Sonne war gerade am untergehen und fĂ€rbte die OberflĂ€che der Wellen in einen goldroten Wasserteppich von unsagbarer Schönheit. Über ihr kreischten fröhlich ein paar aufmĂŒpfige Möwen wĂ€hrend nur ein paar Meter weiter ein paar junge Delfine mit den Wellen spielten. Wie wunderschön, strahlte die kleine Meerjungfrau und setzte sich auf einen nahe gelegenen, von Wellen sanft umspĂŒlten Felsen. Da sah sie plötzlich ein stolzes Segelschiff nĂ€her kommen. Die Matrosen warfen den Anker aus und das Segelschiff hielt an. Dann zĂŒndeten sie bunte Petroleumlaternen an und unterhielten sich.

Voller Neugier beobachtete die kleine Seejungfrau das Geschehen. Zu gerne wĂ€re sie hinĂŒber zu den unbekannten MĂ€nnern geschwommen, doch der Blick auf ihre Fischfloße hielt sie zurĂŒck. Die warnenden Worte ihres Vater hatte sie nicht vergeßen. Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerißen. Der ganze Himmel begann zu leuchten und ein wunderschönes Feuerwerk war am Himmel zu sehen, wĂ€hrend vom Schiff laute Rufe erschallten: Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch! Jaaaa, hoch soll er leben unser KapitĂ€n! Er lebe hoch! Neugierig versuchte die kleine Seejungfrau einen Blick vom KapitĂ€n zu erhaschen, und tatsĂ€chlich. Jetzt konnte sie ihn sehen. Groß, krĂ€ftig und von stattlicher Statur sah sie ihn zwischen seinen MĂ€nnern stehen. Seine dunkelbraunen Haare glĂ€nzten im Licht und sein breites, offenes LĂ€cheln berĂŒhrte sie tief bis in ihr Herz und auf eine nie erlebte Art und Weise. Sie spĂŒrte plötzlich ein GefĂŒhl zwischen Schmerz und Freude, zwischen Himmel hoch jubelnd und einer eigenartigen Mischung von tiefer, nie gekannter Traurigkeit. WĂ€hrend die kleine Seejungfrau noch ĂŒber ihre eigenartigen GefĂŒhle nachdachte ging das Fest auf dem nahe gelegenen Segelschiff weiter. Vor lauter ausgelaßener Festfreude schien keiner auf dem Schiff zu bemerken daß sich ein gewaltiges Unwetter zusammenbraute. Ängstlich und vergebens begann die Seejungfrau zum Schiff hinĂŒber zu rufen: Paßt auf! Paßt auf! Ein Sturm zieht heran!

Doch noch wĂ€hrend die Seejungfrau zum Schiff ihre Warnungen hinĂŒber rief, heulte auch schon der Wind. Laut und Furcht erregend peitschte er die Wellen auf, rĂŒttelte an der Ankerkette und zerbrach den Mast! Im Licht eines hernieder gehenden Blitz sah die kleine Sirene noch das entsetzte Gesicht des KapitĂ€n wĂ€hrend im nĂ€chsten Moment das Schiff kenterte und alle Seeleute ins kalte Naß zog. Eilig glitt die kleine Seejungfrau ins Wasser um dem KapitĂ€n zu Hilfe zu eilen. So gut sie auch schwimmen konnte, so sehr hatte auch sie mit den hohen Wellen zu kĂ€mpfen. Sie glaubte den KapitĂ€n bereits verloren als sie ihn doch noch in den brausenden Fluten treiben sah. Schnell schwamm sie zu ihm hin und nahm ihn in ihre Arme. Die Sonne war inzwischen lĂ€ngst untergegangen und die schwarzen Sturmwolken ließen alles um die Seejungfrau gĂ€nzlich dunkel erscheinen. Es war so schwarz vor ihren Augen, daß sie nicht einmal mehr wußte, in welcher Richtung sich wohl das rettende Meeresufer befand? Auch sie hatte mit der aufgewĂŒhlten Sturmsee zu kĂ€mpfen. Dennoch hielt sie den ermatteten Körper des KapitĂ€n sicher in ihren HĂ€nden wĂ€hrend ihre Gedanken wild durcheinander wirbelten. Sie war beklommen und verwirrt zugleich, denjenigen, den sie so bewundert hatte, nun so nahe, ja sogar in ihren Armen zu wissen.

Der Sturm hatte sich langsam gelegt und im ersten Morgenlicht der aufgehenden Sonne sah die Seejungfrau alsbald die nahe KĂŒste. Sie schwamm darauf zu und zog den jungen KapitĂ€n unter letzter großer Kraftanstrengung ans rettende Ufer. Weil die Seejungfrau wegen ihres Fischschwanz nicht gehen konnte, blieb sie nahe dem KapitĂ€n liegen und versuchte ihn mit ihrem Körper zu wĂ€rmen. Kurz darauf vernahm sie plötzlich nĂ€her kommende Stimmen. Drei edle Damen in teurer Kleidung kamen nĂ€her, und die kleine Sirene sprang eilig zurĂŒck ins Meer um nicht entdeckt zu werden. Aus sicherer Entfernung beobachtete die kleine Meerjungfrau wie sich die laut plaudernden Damen dem immer noch leblos am Ufer liegenden KapitĂ€n nĂ€herten. Da, da liegt jemand! Rief plötzlich eine der drei plaudernden Frauen und eilig rannten sie zu dem im Sand liegenden KapitĂ€n. „Wir mĂŒĂŸen ihm helfen!“ sagten sie und wĂ€hrend sich eine der drei jungen Frauen ĂŒber den KapitĂ€n beugte holten die beiden anderen Hilfe.

Doch genau in dem Moment in denen sich eine der drei Edeldamen ĂŒber den KapitĂ€n hinĂŒber beugte, öffnete dieser fĂŒr einen Moment seine Augen und blickte in das wunderschöne liebliche Gesicht der jĂŒngsten der drei Edelfrauen. Gleich darauf verfiel er wieder in Ohnmacht. Doch dieser kleine Augenblick in das Antlitz der schönen Frau hatte sich tief und fĂŒr immer in sein Herz eingegraben. Die kleine Seejungfrau beobachtete noch eine Weile vom sicheren Wasser aus, wie der JĂŒngling den sie gerettet hatte, zum nahe gelegenen Schloß getragen wurde, und schwamm danach hinunter zum Meeresgrund wo ihre Schwestern und ihr Vater bereits ungeduldig auf sie warteten. Traurig erreichte sie den Palast des Vaters wo ihre Schwestern sich bereits Sorgen um sie gemacht hatten, weil sie schon so lange an der MeeresoberflĂ€che geblieben war. Neugierig fragten sie die kleine Sirene warum sie so lange fortgeblieben sei und die kleine Meerjungfrau begann von all ihrem Liebesschmerz und Kummer zu erzĂ€hlen.

Doch je mehr die kleine Sirene davon erzĂ€hlte, umso mehr nahm der Schmerz in ihrer Brust zu und sie rannte plötzlich in TrĂ€nen aufgelöst in ihre GemĂ€cher und wollte niemanden mehr sehen. Dort blieb sie viele Tage und weinte bitterlich vor sich hin. Keiner und niemand konnte sie in ihrem Kummer trösten. Weder ihre Schwestern noch ihr gĂŒtiger Vater! So blieb sie viele lange Tage in ihren GemĂ€chern und ihr Kummer nahm kein Ende. Sie aß nichts und wurde krank. Bleich und schwach ging es ihr von Tag zu Tag immer schlechter. Sie wußte nur zu genau daß ihre Liebe zu dem JĂŒngling hoffnungslos war. Niemals konnte eine Meerjungfrau einen Mensch heiraten. Doch weil ihr Liebeskummer kein Ende nahm, versuchte sie endlich bei der Meerhexe Rat zu suchen und machte sich schließlich auf den Weg. Als die Meerhexe sich die Geschichte der Meerjungfrau angehört hatte, begann sie auch schon zu lĂ€stern und höhnte: So, du möchtest also zwei Beine wie die Menschen haben? Zwei Beine wie eine Frau, und alles nur weil du dich in einen Mensch verliebt hast?

Nach einigen Überlegungen und höhnischen GelĂ€chter meinte die alte Meerhexe schließlich: Hmm, na ja, vielleicht ist es ja doch möglich deinen Wunsch in die Wirklichkeit umzusetzen? Aber bedenke, du wirst höllische Schmerzen erleiden, so, als ob dein Körper mit dem Schwert geteilt wird. Und wenn du dann mit deinen FĂŒĂŸen den Boden berĂŒhrst, so wird es sein, als liefest du auf scharfen Scherben und spitzen Messerklingen. Nein, das wird mir nichts ausmachen. Wichtig ist mir nur, daß ich in seiner NĂ€he sein darf! flĂŒsterte die kleine Seejungfrau. Doch die alte Meerhexe prophezeite ihr schlimme Erlebnisse und fĂŒgte weitere Offenbarungen hinzu indem sie anfĂŒgte: Außerdem ist dein KapitĂ€n in Wirklichkeit ein stolzer Prinz der in einem Schloß lebt. Dort wartet und trĂ€umt er lĂ€ngst von einer anderen Frau. Du aber wirst zudem deine Stimme verlieren und stumm all die dir genannten Schmerzen ertragen wĂ€hrend der Prinz eines Tages eine andere Frau heiraten wird! Du aber wirst bei all deinen Schmerzen nie wieder eine Seejungfrau sein können und wirst eines Tages zu Schaum auf den Wellen des Meeres!

Doch die kleine liebliche Sirene sagte mit trauriger Stimme zur Meerhexe nur: Gut, dann soll es so sein! Einen Tag spĂ€ter legte sich die kleine Meerjungfrau auch schon in der NĂ€he des Prinzenschloß an den Strand, trank den von der Meerhexe gebrauten Zaubertrank und im selben Augenblick durchfuhr sie auch schon ein wahnsinnig stechender Schmerz und fiel in Ohnmacht. Durch den Zaubertrank hatte die alte Meerhexe bewirkt, daß der Prinz genau in dem Moment am Strand spazieren ging, als die Verwandlung der kleinen Seejungfrau gerade geschehen war. Als der Prinz die kleine Sirene wie tot daliegen sah, wollte er sie sogleich retten, bedeckte sie eilig mit seinem Mantel und trug sie in sein Schloß. Dort veranlaßte er daß man ihr ein heißes Bad bereite, trockene Kleidung und ein weiches, wĂ€rmendes Bett.

Als die kleine Sirene endlich schwach und erschöpft im Bett lag und eine heiße Suppe zu sich nahm, trat der Prinz zu ihr und fragte: Wer bist du und woher kommst du? Aber die Seejungfrau hatte inzwischen ihre Stimme verloren. Genauso wie es ihr die alte Meerhexe prophezeit hatte. So konnte die kleine Sirene dem Prinz nur mit Handzeichen andeuten, daß sie stumm war! Aber der Prinz mochte die hĂŒbsche Sirene dennoch und so verĂ€nderte sich auch fĂŒr die kleine Meerjungfrau ihr ganzes Leben. Fortan bekam sie neue Kleider, kostbares Geschmeide und wunderschönen Schmuck, und der Prinz kĂŒmmerte sich um die junge Frau sooft es seine Zeit erlaubte. Eines Abends wurde im Schloß ein großes Fest gegeben und auch die Meerjungfrau hatte der Prinz dazu eingeladen und obwohl ihr jeder Schritt Schmerzen bereitete als laufe sie ĂŒber scharfe Messerklingen, tanzte sie zusammen mit dem geliebten Prinz Arm in Arm ĂŒber das Parkett.

Wie in einem wundersamen Traum schwebte sie tanzend ĂŒber den Boden und war glĂŒcklich. Der Prinz aber der Mitleid mit dem schönen stummen MĂ€dchen hatte, ĂŒberhĂ€ufte es zwar mit LiebenswĂŒrdigkeiten, aber tief in seinem Herz trug er das schöne Bildnis jener unbekannten Edeldame, die er bisher nur einmal gesehen hatte. Damals gesehen hatte, als er als SchiffbrĂŒchiger an Strand lag und von der er annahm, daß diese ihm sein leben gerettet hat. Nicht ahnend daß dies in Wirklichkeit jene kleine Meerjungfrau war, die er jetzt als schöne Frau in seinen HĂ€nden ĂŒber das Tanzparkett fĂŒhrte. Der Prinz war seiner geliebten Edeldame seitdem nie mehr begegnet. Denn nachdem die damals zur UnterstĂŒtzung geholten Helfer ihn versorgt hatten, waren die drei Edeldamen sogleich weiter gereist. Das Bild seiner Edeldame aber hatte er seitdem nie wieder vergessen. So gern er auch die kleine Seejungfrau inzwischen hatte, so wenig konnte er das liebliche Gesicht mit den sanften Augen seiner damaligen Edelfrau vergessen. Denn immer wieder und immer wieder mußte er an sie denken und dachte seither immer öfters an die schöne, unbekannt gebliebene Frau.

Die Meerjungfrau aber spĂŒrte ebenso seinen Kummer und wußte nur zu genau daß sie keine Chance bei dem Prinzen hatte. Dann ging sie einsam und alleine an den Strand, haderte mit ihrer Liebe und begann bitterlich zu weinen. Denn die Sirene fĂŒhlte nur zu genau daß sein Herz nicht ihr, sondern einer anderen gehörte. Manchmal war es ihr, als wĂŒrden ihre Schwestern dabei aus dem Meer auftauchen und ihr zuwinken. Dann aber wurde die kleine Meerjungfrau nur noch trauriger und weinte noch mehr. Aber trotz all des schlimmen Leid, sollte das Schicksal eine weitere böse Überraschung fĂŒr die kleine Sirene bereithalten. Denn eines Tages legte plötzlich ein fremdes Schiff im Hafen an und der Prinz begrĂŒĂŸte gemeinsam mit der Meerjungfrau die fremden GĂ€ste. Gerade als der Prinz die ersten GĂ€ste begrĂŒĂŸte, stieg genau jenes unbekannte MĂ€dchen vom Schiff, von der unser Prinz immer noch meinte, daß diese ihm das Leben gerettet habe.

Voller Freude lief der Prinz der schönen unbekannten Edeldame entgegen, wĂ€hrend die kleine Sirene im selben Moment einen mörderischen, schmerzhaften Stich verspĂŒrte. Jetzt, wo die geliebte Traumfrau des Prinzen erschienen war, wußte die Meerjungfrau, daß sie fĂŒr den geliebten Prinz nicht mehr von Bedeutung war. Denn auch die unbekannte Edeldame hatte den Prinz seit jenen Tag am Strand nie mehr vergessen und schließlich Boten beauftragt nach ihm zu suchen. So kam es schließlich, daß zwischen den beiden ein reger Briefwechsel entstand durch den sie sich schließlich lieb gewannen und nicht mehr mißen wollten. So war es auch nicht weiter verwunderlich, daß der Prinz schließlich um die Hand seiner geliebten Edeldame anhielt um sie zu heiraten. Auch die Edeldame wollte den Prinz nicht mehr mißen und willigte ein. So wurde bereits wenige Tage nach der fremden Schiffsankunft Hochzeit gehalten und das frische Brautpaar beschloß mit dem Segelschiff eine Hochzeitsreise rund um die Welt zu unternehmen. Der Prinz war ĂŒber seine wiedergefundene Liebe so glĂŒcklich, daß das frisch verheiratete Paar beschloß auch die kleine Seejungfrau zur großen Weltreise einzuladen.

Als es Nacht wurde, ging auch die Seejungfrau an Bord, stellte sich an die Reling und begann bitterlich zu weinen. Jetzt wußte sie, daß sie den Prinz entgĂŒltig und fĂŒr immer verloren hatte. Jetzt erinnerte sie sich auch wieder an die Weißsagungen der Meerhexe und war jetzt so verzweifelt, daß sie sich am liebsten ins Meer gestĂŒrzt und sich dort als Meerschaum aufgelöst hĂ€tte. Also beugte sie sich ĂŒber die BrĂŒstung des Schiffes, beugte sich weit hinĂŒber, schaute in das tiefe, dunkle Wasser, als sie plötzlich die wohl bekannten Stimmen ihrer geliebten Schwestern hörte: Sirene, Sirene! Wir sind es! Deine Schwestern. Wir wißen was mit dir geschehen ist! Nimm diesen Dolch! Die böse Meerhexe hat fĂŒr ihn unser Haar verlangt. Wenn du mit diesem Dolch den Prinzen tötest bevor die Sonne aufgeht, dann wirst du wieder eine Seejungfrau werden und wir sind wieder zusammen!

Schweigend und mit einem unbeweglichen Gesichtsausdruck nahm die kleine Seejungfrau den Dolch entgegen und schlich in die KajĂŒte des Prinzen. Doch als sie in sein schönes, unschuldiges Gesicht sah, kĂŒĂŸte sie ihn sanft auf die Stirn und verließ eilig und innerlich aufgewĂŒhlt das Schlafgemach. Sie konnte ihrer großen Liebe einfach kein Leid zufĂŒgen! Draußen auf dem Deck angekommen, warf sie eilig den Dolch ins Meer und hielt sich mit beiden HĂ€nden an der BrĂŒstung fest. Dann starrte sie gedankenverloren ins nichts und wartete auf den Sonnenaufgang. Als die ersten Sonnenstrahlen eines neuen Tag heraufzogen stĂŒrzte sich die kleine Meerjungfrau in die Meeresfluten um langsam Schaum auf den wogenden Wellen zu werden. Ein letztes Mal wollte sie noch einmal in das warme Licht der aufgehenden Sonne blicken. Nur einmal noch wollte sie die Strahlen einer aufgehenden Morgensonne in ihrem lieblichen Gesicht spĂŒren.

Doch gerade in diesem Moment fĂŒhlte die kleine Meerjungfrau wie eine geheimnisvolle Kraft sie aus dem Wasser zog und langsam in die Höhe trug. Der Himmel fĂ€rbte sich rosa und auf dem Meer krĂ€uselten sich die Wellen zu einem sanften Reigen. Eine frische, sanfte Meeresbrise war aufgekommen und die kleine Meerjungfrau hörte plötzlich ein sanftes GlockenlĂ€uten und eine liebliche Stimme flĂŒsterte: „Sirene, kleine Sirene! Komm mit uns! Dir wird nichts geschehen, denn wir sind deine Freunde!“ „Wer seid ihr und wo bin ich?“, fragte erstaunt die Sirene und bemerkte freudig und fast ein wenig erschreckt, dass sie ihre Stimme wieder zurĂŒckbekommen hatte. „Du bist bei uns, den Feen der LĂŒfte! Wir sind zum Schutz der Menschen auf dieser Welt, weil wir sie lieben! Unsere Aufgabe ist es, alle guten Menschen vor Bosheit und UnglĂŒck zu beschĂŒtzen.

Wir haben keine Seelen wie die Menschen und so darf zu uns nur kommen, wer ebenfalls keine Seele hat und dennoch die Menschen liebt und ihnen wohl gesonnen ist! Als die kleine Meerjungfrau die Worte vernommen hatte, schaute sie tief berĂŒhrt nach unten, wo sie das Schiff des Prinzen erblickte. Sie fĂŒhlte sich jetzt wohlig leicht, geborgen und glĂŒcklich. Wie eine Feder schwebte sie auf wundersame Art im Reigen der Feen. TrĂ€nen zeigten sich in ihrem Gesicht. TrĂ€nen des GlĂŒcks! Und als sie die Feen flĂŒstern hörte: „Komm mit uns kleine Meerjungfrau, denn wir gießen mit unseren TrĂ€nen die Blumen der Erde damit sie die Menschen erfreuen und sie glĂŒcklich machen! Also habe keine Angst kleine Sirene und bleib bei uns! Die kleine Meerjungfrau war so glĂŒcklich und voller Freude das sie das Angebot der Feen annahm und von nun an fĂŒr immer bei den Feen der LĂŒfte blieb!

Hans Christian Andersen
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