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Eine gute Laune - ein Märchen von Hans Christian Andersen - 😍 Weil es dich gibt

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"Das Leben besteht nicht darin, zu warten, dass der Sturm vorbeizieht, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen."

Eine gute Laune – ein Märchen von Hans Christian Andersen

Gute Laune - ein Märchen von Hans Christian Andersen
Gute Laune - ein Märchen von Hans Christian Andersen

Von meinem Vater habe ich das beste Erbteil erhalten, nämlich eine gute Laune. Und wer war mein Vater? Ja, das geht den Humor nichts an! Er war lebhaft und wohlbeleibt, fett und rund, sein Äußeres und Inneres, stand mit seinem Amte gänzlich im Widerspruch. Und was war er seines Amtes und seiner Stellung nach in der bürgerlichen Gesellschaft? Ja, wenn es im Anfange eines Buches gleich niedergeschrieben und gedruckt würde, so würden Mehrere, wenn sie es lesen, das Buch zur Seite legen und sagen, es sieht mir so unheimlich aus, ich mag nichts von der Art. Und doch war mein Vater weder Schinder noch Scharfrichter; im Gegenteil, sein Amt stellte ihn an die Spitze der rühmlichsten Männer der Stadt, und er war dort ganz in seinem Rechte, ganz an seinem Platze; er mußte der Vorderste sein, vor dem Bischof, vor den Prinzen von Geblüt – und er war der Vorderste – er war Leichenwagenkutscher.

Nun ist’s heraus! und das kann ich bekennen, daß, wenn man meinen Vater dort hoch oben auf dem Omnibus des Todes sitzen sah, bekleidet mit seinem langen, weiten, schwarzen Mantel, mit dem schwarzgarnierten, dreieckigen Hute auf dem Kopfe, und dazu mit seinem Gesichte, welches leibhaftig aussah wie man die Sonne zeichnet, rund und lachend, dann konnte man nicht an Trauer und Grab denken; das Gesicht sagte: »es macht nichts, macht nichts, – es wird viel besser, als man glaubt!«

Seht, von ihm habe ich meine gute Laune und die Gewohnheit angenommen, gar oft nach dem Kirchhofe zu gehen: und das ist sehr amüsant, wenn man nur mit gutem Humor dorthin kommt, – und dann halte ich das Intelligenzblatt, so wie auch er es tat.

Ich bin nicht jung, – ich habe weder Weib, Kinder noch eine Bibliothek, aber, wie gesagt, ich halte das Intelligenzblatt, das ist mir genug, es ist mir das liebste Blatt, und war es meinem Vater auch; es hat seinen großen Nutzen, und bringt Alles, was ein Mensch zu wissen nötig hat: wer in den Kirchen, und wer in den neuen Büchern predigt; und dann die viele Wohltätigkeit, und die vielen unschuldigen, harmlosen Verse, die es enthält! Ehen, welche gesucht werden und Stelldichein, auf welche man sich einlaßt! Alles einfach und natürlich! Man kann wahrlich sehr gut und glücklich leben und sich begraben lassen, wenn man das Intelligenzblatt hält – schließlich hat man am Ende seines Lebens so viel Papier, daß man weich darauf liegen kann, wenn man es nicht liebt auf Hobelspänen zu ruhen.

Das Intelligenzblatt und der Kirchhof waren immer meine, den Geist am meisten weckenden, Spaziergänge, meine beliebtesten Badeanstalten für den guten Humor.

Jeder kann nun für sich das Intelligenzblatt durchwandern: aber geht mit mir nach dem Kirchhofe; laßt uns dorthin gehen, wenn die Sonne scheint, und die Bäume grün sind; laßt uns zwischen den Gräbern wandeln. Jedes derselben ist ein geschlossenes Buch mit dem Rücken nach oben, man kann den Titel lesen, welcher besagt, was das Buch enthält, und doch nichts sagt; aber ich weiß Bescheid, weiß es von meinem Vater und von mir selbst. Ich habe es in meinem Grabbuche, und das ist ein Buch, welches ich selbst zum Nutzen und Vergnügen gemacht habe; dort liegen sie Alle beisammen, und noch Einige mehr!

Nun sind wir auf dem Kirchhofe.

Hier, hinter dem weiß bemalten Stabgitter, wo einst ein Rosenstrauch stand, – jetzt ist er fort, aber ein wenig Immergrün vom Grabe des Nachbars streckt seine grünen Finger hinein, um doch ein wenig Staat zu machen, – ruht ein sehr unglücklicher Mann, und doch stand er sich, als er lebte, wie man zu sagen pflegt, gut; er hatte sein gutes Auskommen und noch mehr, aber die Welt, das heißt die Kunst, ging ihm zu nahe. Saß er eines Abends im Theater, um mit ganzer Seele zu genießen, so war er außer sich, wenn der Maschinenmeister nur ein zu starkes Licht in eine der Wangen des Mondes setzte, oder wenn die Luftsoffiten vor den Kulissen hingen, wenn sie dahinter hängen sollten, oder wenn eine Palme im Berliner Tiergarten vorkam, oder Kaktus in Tyrol und Buchen hoch oben in Norwegen erschienen! Bleibt sich das nicht gleich? Wer kümmert sich um so etwas! Es ist ja Komödie, bei welcher man sich amüsieren soll. – Bald klatschte ihm das Publikum zu viel, bald zu wenig. »Das ist nasses Holz,« sagte er, »es will heute Abend nicht zünden!« als dann kehrte er sich um, um zu sehen, was für Leute es wären, und dann sah er, daß sie zu unrechter Zeit lachten, wo sie nicht lachen sollten; darüber ärgerte er sich, litt dabei, war ein unglücklicher Mensch, und nun ruht er im Grabe.

Hier schlummert ein sehr glücklicher Mann, das soll heißen, ein sehr vornehmer Mann, von hoher Geburt, und das war sein Glück, denn sonst würde nie etwas aus ihm geworden sein, aber Alles ist so weise in der Natur angeordnet, daß es ein Vergnügen ist, daran zu denken. Er schritt vorn und hinten gestickt einher, und war im Saale untergebracht, so wie man den kostbaren, perlengestickten Klingelzug anbringt, hinter dem immer eine gute, dicke Schnur, welche den Dienst verrichtet, hängt; er hatte auch eine gute Schnur hinter sich, einen Substituten, der den Dienst verrichtete, und ihn noch, hinter einem neuen, gestickten Klingelzuge, verrichtet. Alles ist weise eingerichtet, daß man wohl einen guten Humor haben kann.

Hier ruht, ja, das ist nun freilich sehr traurig –! hier ruht ein Mann, der siebenundsechzig Jahre darüber nachgedacht hat, wie er auf einen guten Einfall komme; er lebte nur um einen guten Einfall zu bekommen; endlich bekam er wirklich nach eigener Überzeugung einen, und wurde so froh darüber, daß er starb, vor Freude starb, ihn bekommen zu haben; Keiner hatte Nutzen davon, Keiner hörte den guten Einfall. Ich kann mir nun denken, daß er wegen des guten Einfalles nicht einmal Ruhe im Grabe hat, denn gesetzt, es wäre ein Einfall, den man nur beim Frühstück sagen könnte, wenn er von Wirkung sein sollte, und daß er als Toter, der allgemeinen Meinung nach, nur um Mitternacht erscheinen kann, so paßt der Einfall nicht für die Zeit, Niemand lacht, und der Mann kann mit seinem guten Einfalle wieder ins Grab steigen. Das ist ein trauriges Grab.

Hier ruht eine sehr geizige Frau; während sie lebte, stand sie in der Nacht auf und miaute, damit die Nachbarn glauben sollten, daß sie sich Katzen hielte: so geizig war sie!

Hier ruht ein Fräulein aus guter Familie; es mußte in Gesellschaften immer seine Stimme hören lassen, und dann sang es: »mi manca, la voce!« das war die einzige Wahrheit in ihrem Leben!

Hier ruht eine Jungfrau – eines anderen Schlages! Wenn der Kanarienvogel des Herzens zu schmettern beginnt, dann steckt die Vernunft die Finger in die Ohren. Schön Jungfrau stand in des Ehestands Glorie –! das ist eine Alltagshistorie – aber es ist hübsch gesagt: Laß die Toten ruhen.

Hier ruht eine Wittfrau, welche Schwanengesang im Munde und Eulengalle im Herzen trug. Sie ging in den Familien auf Raub nach Fehlern ihres Nächsten aus, sowie in alten Tagen das »Reibeisen« umher ging, um ein Rinnsteinbrett zu finden, welches nicht da war.

Hier ist ein Familienbegräbniß; jedes Glied dieses Geschlechts hielt so im Glauben zusammen, daß, wenn auch die ganze Welt und die Zeitung dazu sagte: so ist’s, und der kleine Sohn kam nun aus der Schule und sagte: »ich habe es auf die Weise gehört!« so war die seinige die einzig richtige, denn er war von der Familie. Und gewiß ist’s, daß, wenn es sich so traf, daß der Hofhahn der Familie um Mitternacht krähte, so war es Morgen, wenn auch der Wächter und alle Uhren der Stadt verkündeten, daß es Mitternacht sei.

Der große Goethe schließt seinen Faust damit: »kann fortgesetzt werden,« das kann unsere Wanderung nach dem Kirchhofe auch. Dahin komme ich oft, macht Einer oder der Andere meiner Freunde oder Nichtfreunde mir es zu bunt, gehe ich hinaus, suche einen Rasenplatz auf, und weihe denselben ihm oder ihr, irgend einer Person, die ich zu begraben wünsche, dann begrabe ich sie sogleich, und sie liegen tot und machtlos da, bis sie als neuere und bessere Menschen zurück kommen. Ihr Leben und ihre Taten, nach meiner Art und Weise betrachtet, schreibe ich in mein Grabbuch, und so sollten alle Menschen verfahren, sie sollten sich nicht ärgern, wenn Jemand es ihnen zu toll macht, sondern ihn sogleich begraben, auf ihren guten Humor halten, und auch auf das Intelligenzblatt, auf dieses, vom Volke selbst oft mit »geführter Hand« geschriebene Blatt.

Kommt die Zeit, daß ich selbst, sowie meine Lebensgeschichte, im Grabe eingebunden werden soll, dann setze man mir die Inschrift: Das ist meine Geschichte.

Hans Christian Andersen

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