Der Pilzkönig | Ein Märchen aus Estland

Der Pilzkönig - ein Märchen aus Estland
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz
Vor langer, langer Zeit gingen einmal Pilzsammler in den Wald, um Pilze zu sammeln. Sie fanden einen großen Pilz, und unter diesem kam ein kleines Männlein hervor. Es war so groß wie ein Finger mit einem sehr langen Bart. Das Männlein nahm sogleich Reißaus, die Pilzsammler hinterdrein. Als sie das Männlein eingefangen hatten, fragten sie, wer es sei. Das Männlein sagte: »Ich regiere über die Pilze, die in diesem Walde wachsen!« Nun berieten die Pilzsammler, was mit dem Männlein zu tun wäre. Zuletzt entschlossen sie sich, das kleine Männlein dem König als Geschenk zu überbringen, und so brachten sie es dem König. Der König zahlte den Pilzsammlern ehrlich ihren Finderlohn, das kleine Männlein aber ließ er in den Keller sperren. Nun hatte der König große Lust, ein Fest zu veranstalten, um seinen Gästen das unter dem Pilz gefundene Männlein zu zeigen. Bis dahin sollte das Männlein im Keller bleiben. In dieser Zeit spielte der kleine Sohn des Königs mit seinem Goldei auf dem Hof. Mitten im Spiel fiel das Goldei dem Königssohn aus der Hand und rollte durchs Fenster in den Keller. Gerade in jenen, wo der König das kleine Männlein gefangen hielt. Das kleine Männlein hob das Goldei auf und zeigte es durchs Fenster dem Jungen. Der Junge rief: »Gib mir bitte mein Goldei wieder!« Das Männlein erwiderte: »Du bekommst es, wenn du selbst zu mir in den Keller kommst!« Der Junge fragte: »Wie kann ich zu dir kommen? Die Tür ist doch verschlossen!« Das Männlein sprach zu ihm: »Geh in das Schloß und hol den Schlüssel!«

Der Junge ging und holte den Schlüssel. Dann öffnete er die Kellertür und trat ein. Das Männlein reichte dem Jungen das Goldei, selbst aber sprang es — schwupp! — zwischen den Beinen des Jungen zur Tür hinaus. Der Junge bemerkte nicht einmal, wie das Männlein davonlief. Als der Junge die Tür wieder zuschließen wollte, schaute er aber erst nach, ob das Männlein noch da war, konnte es jedoch nirgends entdecken. Da wurde dem Jungen angst und bange. Er schloss die Tür zu und brachte den Schlüssel zurück. Dass er im Keller war und dass das Männlein davongelaufen war, sagte er niemandem.
Der Festtag rückte heran, an dem der König seinen Gästen das kleine Männlein zeigen wollte. Viele Gäste kamen herbei, das Wunder zu sehen. Der König schickte einen Diener in den Keller, um das Männlein zu holen. Der Diener kam zurück und flüsterte dem König ins Ohr, dass das Männlein verschwunden sei. Der König wollte es nicht glauben. Er ging selbst nachschauen, aber das Männlein war und blieb verschwunden. Da half alles nichts, der König schämte sich zwar, die geladenen Gäste und das Volk an der Nase herumgeführt zu haben, er musste ihnen schließlich doch verkünden, dass das Männlein verschwunden sei. Er fügte noch hinzu, das Männlein wird wahrscheinlich durch ein Mauseloch entkommen und geflohen sein. Die Gäste schenkten dieser Meinung Glauben, bedauerten aber sehr, das kleine Männlein nicht gesehen zu haben.
Die Jahre verstrichen. Der Königssohn wuchs zum Manne heran. Da kam man eines Tages während der Mahlzeit auf das kleine Männlein zu sprechen. Nun erzählte der Königssohn seinem Vater zum ersten Mal, wie sein Goldei in den Keller gerollt war, wie er es holen ging und das Männlein dadurch entkommen sei. Da wurde der König sehr böse, sogar so sehr, dass er seinem Sohn befahl ihn für immer zu verlassen. Die Mutter legte zwar für ihn ein gutes Wort ein, aber der König ließ sich nicht erweichen. Er beschloss jedoch, dem Sohn einen General als Weggefährten mitzuschicken. In Gesellschaft des Generals sollte der Königssohn sehen, wie er in der Welt zurechtkäme.
So zogen der Königssohn und der General in die weite Welt. Alsbald gelangten sie in einen Wald. Es war sehr heiß und der Königssohn verspürte Durst. Wo sollten sie Wasser finden? Da sahen sie einen Brunnen. Der Brunnen war jedoch zu tief, um Wasser zu schöpfen. Der General sagte nun zum Königssohn: »Ich lasse dich an einem Strick hinunter. Du kannst trinken, soviel du willst. Nachher werde ich dich wieder hochziehen!« Der Königssohn war damit einverstanden. Auf dem Grund des Brunnens löschte er ausgiebig seinen Durst. Der General aber sagte oben: »Ich zieh dich nur dann hoch, wenn du versprichst, daß du von jetzt ab der General bist, ich aber der Königssohn.«
Was blieb dem Königssohn in seiner Not übrig? Erfüllte er nicht den Wunsch des Generals, zog ihn jener nicht wieder hoch. So war es wohl doch besser, das zu versprechen, was der listige General verlangte.
Nun zog der General den Königssohn aus dem Brunnen.
Beide wanderten weiter in das Reich eines anderen Königs, bei dem sie sich um Arbeit bewarben. Der General sagte, er sei der Königssohn, und der Königssohn sagte, er sei dessen General. Der König nahm nun den falschen Königssohn zu sich ins Schloss, den richtigen Königssohn aber ließ er seinen Pferdestallmeister werden. Die Pferde wurden jeden Tag in den Wald getrieben, wo sie sich ihr Futter suchten und dabei von Wächtern bewacht wurden. Der arme Königssohn musste sich um die Wächter kümmern. Im Wald setzte sich der Königssohn auf einen Stein. Da saß er nun und grübelte über seine traurige Lage.
Plötzlich sah er vor sich das kleine Männlein stehen, das er in seiner Kindheit aus dem Keller befreit hatte. Das kleine Männlein fragte ihn: »Warum bist du so betrübt? « Der Königssohn entgegnete: »Warum sollte ich nicht betrübt sein? Mein Vater hat mich fortgejagt, weil ich dir damals zu entfliehen half. Nun hat mir mein General auch noch meinen Namen geraubt — er gibt sich selbst als Königssohn aus, ich aber muss hier die Pferde hüten!« Das kleine Männlein tröstete den Königssohn: »Sei nicht traurig deshalb, du wirst es einmal noch besser haben! Komm heute zu meiner ältesten Tochter zu Besuch!« Der Königssohn fragte: »Aber wer bist du denn?« Das kleine Männchen sagte: »Die Menschen rufen mich den Pilzkönig, denn ich regiere über die Pilze!« Und der Pilzkönig führte den Königssohn zu seiner ältesten Tochter, die in einem kupfernen Schloss lebte. Alle Gegenstände in diesem Schloss waren aus Kupfer. Voll Verwunderung schaute sich der Königssohn alles an. Die älteste Tochter des Pilzkönigs empfing den Königssohn sehr liebenswürdig. Die Zeit verging bei ihr wie im Fluge.
Schließlich sagte der Pilzkönig: »Es ist Zeit, daß wir wieder aufbrechen! Einem Gast aber gebührt ein Geschenk. Bringt ihm das kupferne Pferd!« Sofort wurde dem Königssohn das kupferne Pferd gebracht. Vier Männer mussten es am Zügel halten. Der Pilzkönig sagte zum Königssohn: »Dieses Pferd schenke ich dir!« Ein wenig verängstigt entgegnete der Königssohn: »Wie werde ich das Pferd zügeln können, wenn schon vier Männer es kaum schaffen? « Der Pilzkönig sagte: »Siehst du dort die vier Flaschen mit Zauberwasser? Trink sie aus!« Der Königssohn tat, wie befohlen. Auf einmal fühlte er seine Kräfte mächtig wachsen. Nun war er dem Pferd überlegen.
Der Pilzkönig gab dem Königssohn eine Kupferpfeife und sagte: »Hüte diese Pfeife wie deinen Augapfel! Verlierst du sie, verlierst du auch das Pferd! Nun zieh dir noch diese kupfernen Kleider an, die auf dem Sattel liegen!« Der Königssohn zog sich die kupfernen Kleider an und sprang in den Sattel. Dann verabschiedete er sich und sprengte zurück zu seiner Pferdeherde. . .
Am anderen Tag saß der Königssohn wieder im Wald bei seinen Pferden. Auf einmal sah er, dass der Pilzkönig wieder vor ihm stand und ihn wie am vorigen Tag bittet: »Komm und besuche heute meine mittlere Tochter!« Der Königssohn schwang sich in den Sattel des kupfernen Pferdes und ritt zur mittleren Tochter des Pilzkönigs. Jene lebte in einem silbernen Schloss, und alle Gegenstände darin waren aus Silber. Sehr fröhlich verbrachte der Königssohn dort die Zeit, bis der Pilzkönig schließlich sagte: »Es ist Zeit, aufzubrechen! Doch erst bringt das silberne Pferd her!«
Das silberne Pferd wurde herbeigeführt. Acht Männer mussten es am Zügel halten. Da sagte der Pilzkönig: »Nimm die acht Flaschen Zauberwasser dort, und trink sie aus! Dann wirst du das Pferd zügeln können. Ich schenke es dir!« Der Königssohn tat, wie befohlen, und fühlte sofort die Kräfte wachsen. Nun war es ein leichtes für ihn, das Pferd zu zügeln. Auf dem Sattel des Pferdes lagen diesmal silberne Kleider, und der Königssohn zog sie sich an. Da stand er nun, ganz aus Silber. Der Pilzkönig nahm eine Silberpfeife aus der Tasche, reichte sie dem Königssohn und sprach: »Hüte diese Pfeife wie deinen Augapfel, sonst verlierst du dein Pferd!« Der Königssohn bedankte sich, verabschiedete sich und ritt zurück zu seinen Pferden.
Am nächsten Tag saß er wieder im Walde auf seinem Stein. Und wieder kam der Pilzkönig und bat ihn nun, seine jüngste Tochter zu besuchen. Der Königssohn machte sich auf den Weg. Die jüngste Tochter des Pilzkönigs lebte in einem goldenen Schloss, und alles darin war ebenfalls aus Gold. Auch hier verbrachte der Königssohn sehr fröhlich seine Zeit, bis der Pilzkönig ihn schließlich daran erinnerte, dass es Zeit wäre, zu den Pferden zurückzukehren. Zugleich gab er den Befehl, ihm das goldene Pferd zu bringen. Sogleich brachten zwölf Männer das goldene Pferd, das sie kaum festzuhalten vermochten. Der Pilzkönig sagte zum Königssohn: »Dieses Pferd schenke ich dir. Siehst du dort die zwölf Flaschen mit Zauberwasser? Trink sie aus, dann wirst du auch mit diesem Pferd zurechtkommen!« Der Königssohn tat, wie geheißen, und fühlte, wie er sehr stark wurde. Mit fester Hand hielt er das Pferd am Zügel, auf seinem Sattel lagen goldene Kleider. Diese zog der Königssohn sich an. Nun glänzte er über und über golden. Der Pilzkönig schenkte dem Königssohn noch eine Goldpfeife und sagte darauf zur jüngsten Tochter: »Schenke auch du dem Fremden etwas zur Erinnerung!« Die jüngste Tochter des Pilzkönigs schenkte dem Königssohn ein Goldei. Der Königssohn bedankte sich, schwang sich in den Sattel des goldenen Pferdes und ritt zurück zu seinen Pferden.
Am nächsten Tag begab sich der Königssohn in die Stadt. Dort sah er, wie die Königstochter das Schloß verließ und laut weinte. Der Königssohn fragte: »Warum weinst du? Was fehlt dir?« Die Königstochter entgegnete: »Warum sollte ich nicht weinen! Morgen kommt das große Ungeheuer aus dem Meer und fordert mich zur Braut. Bekommt es mich nicht, vernichtet es das ganze Reich!« Der Königssohn tröstete die Königstochter, so gut wie er konnte.
Am nächsten Tag wurden am Meer Soldaten aufgestellt. Die Königstochter fuhr ans Meer, um auf das Ungeheuer zu warten. Der Königssohn begab sich inzwischen in den Wald. Dort pfiff er auf seiner Kupferpfeife, und sofort erschien das kupferne Pferd mit den kupfernen Kleidern. Der Königssohn zog sich die Kleider an und stieg aufs Pferd. Dann sprengte er ans Meer. Das fürchterliche Ungeheuer war schon aus dem Wasser gekommen und fragte die Versammelten: »Wer hat soviel Mut, sich mit mir zu messen?« Niemand hatte soviel Mut. Allein der Königssohn ritt auf seinem kupfernen Pferd dem Ungeheuer mutig entgegen. Das Ungeheuer fragte sogleich: »Für wen kämpfst du?« Der Königssohn entgegnete: »Für mich selbst und für die Königstochter!« Das Ungeheuer wiederum fragte: »Kämpfen wir zu Roß oder Mann gegen Mann?« Der Königssohn erwiderte: »Wir kämpfen zu Roß, du hast ja ebenso vier Beine wie mein Pferd!«
Das Ungeheuer begann, voraus zu laufen. Dabei dachte es, ich werde mich blitzschnell umdrehen und den Königssohn samt Roß verschlingen. So einfach ging es aber doch nicht. Der Königssohn ritt dem Ungeheuer nach. Mit einem gewaltigen Hieb schlug er dem Ungeheuer den Kopf ab, den Rumpf aber warf er ins Meer. Nun, da er das Ungeheuer getötet hatte, ritt er mit seinem kupfernen Pferd eiligst zurück in den Wald und tat, als wäre nichts geschehen.
Am nächsten Tag begab er sich wiederum in die königliche Stadt. Und wieder sah er, wie die Prinzessin weinend das Schloß verließ. Der Königssohn fragte: »Warum weinst du?« Die Königstochter erwiderte: »Morgen kommt aus dem Meer ein Ungeheuer mit sechs Köpfen, um sich meine ältere Schwester zu holen! Oh, käme doch derselbe Mann, der mich errettete! Oh, käme er doch und rettete auch meine Schwester!« Der Königssohn eilte zurück in den Wald.
Am nächsten Morgen nahm er die Silberpfeife und pfiff. Augenblicklich erschien das silberne Pferd mit den silbernen Kleidern auf dem Sattel. Der Königssohn legte sich die Kleider an, schwang sich in den Sattel und ritt wie der Wind ans Meer. Die Königstochter stand schon am Ufer und wartete auf das. Ungeheuer. Da begann das Meer zu tosen, und das schreckliche Ungeheuer mit den sechs Köpfen kam aus dem Meer. Es schaute sich um, mit wem es seine Kräfte messen könnte. Die Soldaten suchten voller Angst das Weite. Der Königssohn aber ritt auf seinem silbernen Pferd dem Ungeheuer mutig entgegen. Das Ungeheuer rief nun: »Komm nur, komm, Söhnchen, bist mir ein leckerer Bissen! Ich dachte nur einen zu bekommen, da sind es gleich zwei auf einmal!« Der Königssohn ritt auf seinem silbernen Pferd wie der Sturmwind dem Ungeheuer entgegen. Das Ungeheuer riß den Rachen auf und wollte den Königssohn samt Roß verschlingen. Doch das Schwert des Königssohnes war flinker. Alle sechs Köpfe des Ungeheuers rollten auf den Meeresgrund. Dann ritt der Königssohn gemütlich auf seinem silbernen Pferd zurück in den Wald, als wäre nichts geschehen. Im Wald ließ er das Pferd laufen, er selbst aber legte sich zur Ruhe.
Am nächsten Tag kam der Königssohn wieder zur Stadt, sah die Königstochter weinen und fragte: »Warum weinst du?« Die Königstochter erwiderte: »Morgen kommt aus dem Meer ein Ungeheuer mit zwölf Köpfen, um sich meine älteste Schwester zu holen! Oh, käme doch der Mann, der meine ältere Schwester errettete! Oh, rettete er doch auch meine älteste Schwester!« Der Königssohn sagte, sie sollte nicht mehr weinen, und kehrte zurück in den Wald.
Am nächsten Morgen pfiff er auf der goldenen Pfeife. Alsbald erschien das goldene Pferd mit den goldenen Kleidern im Sattel. Der Königssohn legte die Kleider an, schwang sich in den Sattel und eilte ans Meer. Die älteste Tochter des Königs stand schon am Ufer und wartete auf das Ungeheuer mit den zwölf Köpfen. Sogar der König war mit vielen Soldaten erschienen, um zu sehen, was mit seiner Tochter geschieht.
Da begann das Meer fürchterlich zu tosen, es brodelte und kochte. Das schreckliche Ungeheuer steckte seine zwölf Köpfe aus dem Wasser und kroch ans Ufer. Die Soldaten nahmen voller Angst sofort Reißaus. Auch der König verlor den Mut, zuzusehen. Der Königssohn aber ritt auf seinem goldenen Pferd dem Ungeheuer mutig entgegen. Das Meeresungeheuer spottete: »Komm nur, komm, Söhnchen! Bist mir ein leckerer Bissen! Ich dachte nur einen zu bekommen, da sind es gar zwei!« Und es riß die Rachen auf, um den Königssohn zu verschlingen. Der Königssohn schwang das Schwert nur einmal, und sechs Köpfe des Ungeheuers rollten auf den Meeresgrund. Doch nun griff das Ungeheuer um so wilder den Königssohn an. Es ließ den Reiter nicht näher kommen und versuchte ihn samt Pferd mit dem Schwanz niederzuschlagen.
Der Königssohn hatte es schwer, sich vor den Schlägen des Schwanzes zu schützen. Aus Rachen und Nüstern des Ungeheuers strömten dem Königssohn Feuerschwaden entgegen. Der Königssohn wußte nicht, wie er sich nähern sollte, um von seinem Schwert Gebrauch zu machen. Er mußte sehr vorsichtig sein, damit das Ungeheuer seiner nicht Herr wurde.
Plötzlich bemerkte der Königssohn neben einem großen Stein den Pilzkönig. Der Pilzkönig rief ihm zu: »Nimm das Goldei zu Hilfe!« Sofort holte der Königssohn das Goldei hervor und öffnete es. Im Handumdrehen umgaben ihn unzählige mutige Soldaten. Diese kämpften von allen Seiten mit dem Ungeheuer. Sie fürchteten sich kein bisschen vor ihm! Das Ungeheuer wandte sich nun den Soldaten zu. Da griff der Königssohn erneut das Ungeheuer an und schlug ihm mit seinem Schwert die übrigen sechs Köpfe ab. Das Ungeheuer war auf der Stelle tot.
Der Königssohn nahm wieder das Goldei, öffnete es, und augenblicklich verschwand die gesamte Kriegerschar darin. Der Königssohn ließ das tote Ungeheuer liegen und ritt geschwind zurück in den Wald, so, als ob nichts geschehen wäre. Im Wald legte er sich vor lauter Müdigkeit schlafen. Er schlief drei Tage hintereinander.
Am dritten Tag weckte jemand den Königssohn. Er öffnete die Augen und sah, dass der Pilzkönig neben ihm stand. Der Pilzkönig sagte: »Wach auf! Du musst in die Königsstadt gehen! Dort erzählt dein falscher Gefährte, der sich als Königssohn ausgibt, er sei derjenige, der die drei Ungeheuer getötet habe. Als Lohn fordert er vom König die Hand der jüngsten Tochter.«
Der Königssohn war sofort hellwach, ergriff die kupferne Pfeife und pfiff. Augenblicklich erschien das kupferne Pferd. Der Königssohn legte die kupfernen Kleider an und ritt eiligst zur Königsstadt. Der falsche Königssohn, sein General, war gerade beim König und erzählte ihm von seinen großen Taten und den Kämpfen mit den Ungeheuern. Da ritt auf den Hof des Königs der Königssohn im Sattel seines kupfernen Pferdes. Die jüngste Tochter des Königs sah es und rief: »Seht, dort ist mein wirklicher Retter!« Der Königssohn aber trat nicht ein, sondern machte kehrt und ritt eilig zurück in den Wald. Dort pfiff er auf der silbernen Pfeife, schwang sich in den Sattel des silbernen Pferdes und ritt mit ihm auf den Hof des Königs. Die mittlere Tochter des Königs sah es und rief: »Seht, dort ist mein wirklicher Retter!« Der Königssohn machte wiederum kehrt und eilte zurück in den Wald. Nun pfiff er auf der goldenen Pfeife. Augenblicklich war das goldene Pferd zur Stelle. Und wieder ritt der Königssohn auf den Hof des Königs. Die älteste Tochter des Königs sah es und rief: »Seht, dort ist mein wirklicher Retter!«
Der Königssohn wollte auch jetzt in den Wald zurückkehren, aber da trat der König vors Schloss und bat ihn einzutreten, um den ihm gebührenden Lohn zu empfangen. Der König sagte: »Hier ist ein fremder Königssohn, welcher behauptet, meine Töchter gerettet zu haben. Meine Töchter beteuern aber, du hättest sie gerettet!« Der Königssohn entgegnete: »Dieser, der sich Königssohn nennt, ist keiner, er ist nur mein General!« Der König antwortete verwundert: »Dann bist du also der wirkliche Königssohn? Tritt ein, du sollst reichlich belohnt werden! Und du sollst eine meiner Töchter zur Gemahlin haben, welche dir besten gefällt!«
Der Königssohn bedankte sich beim König und sagte: »Ich begehre wirklich nichts!« Und er ritt geschwind zurück in den Wald, ohne von dem König etwas anzunehmen. Der König ging zurück ins Schloß. Den General aber, der sich als Königssohn und als Retter seiner Töchter ausgegeben hatte, jagte er davon. Der Königssohn ritt nun zurück in den Wald, blieb aber nicht dort. Er ritt mit seinem goldenen Pferd immer weiter, bis er zur jüngsten Tochter des Pilzkönigs gelangte, die ihm das Goldei geschenkt hatte. Um ihre Hand hielt er beim Pilzkönig an, und beide lebten glücklich in ihrem goldenen Schloss.
Den Pilzkönig aber hat man nie wiedergesehen.

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