Die dankbaren Füchse | Ein Märchen aus Japan

Die dankbaren Füchse - ein Märchen aus Japan
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

Zwei Freunde trafen auf einem Spaziergange Kinder, welche einen jungen Fuchs gefangen hatten. Sie hielten das Thier in Stricken gebunden und erklärten, es in ihrem Dorfe verkaufen zu wollen; ein junger Mann habe ihnen ein hübsches, blankes Geldstück dafür versprochen. Der eine der Freunde beschloss sogleich, den Fuchs zu kaufen und bot den Kindern noch mehr dafür; der andere spottete anfangs darüber, gab aber doch seine völlige Beistimmung zu erkennen, als sein Freund erklärte, er habe das Füchslein nur gekauft, um es auf der Stelle in Freiheit zu setzen. So geschah es denn auch, und beide Freunde freuten sich herzlich über die possierlichen Sprünge des jungen Fuchses beim Wiedersehen mit seinen Eltern, die anfangs sehr betrübt, dann höchst vergnügt, die Vorgänge aus der Ferne beobachtet hatten. Lange Zeit hernach – niemand dachte mehr an die Geschichte – erkrankte der Wohltäter des jungen Fuchses, der unterdessen in eine andere, ferne Stadt gezogen war, sehr bedenklich. Die Ärzte erklärten, nur der Genuss einer Fuchsleber könne ihn retten. Keiner seiner Bekannten aber konnte eine solche herbeischaffen, und es ward daher ein Brief an einen entfernt wohnenden Freund abgesandt, mit der Bitte, wenn irgend möglich, recht bald eine Fuchsleber für den Patienten zu senden. Es währte nicht lange, da kam ein wohlgekleideter Mann und brachte mit vielen Höflichkeitsbezeugungen, aber in sehr ernster und trauriger Stimmung, eine frische Fuchsleber. Der Kranke ließ sie sofort nach ärztlicher Vorschrift zubereiten und bekam auch durch deren Genuss seine Gesundheit vollkommen wieder. Er glaubte natürlich, sein entfernter Freund habe das Heilmittel gesandt, und war daher sehr überrascht, ein paar Tage später von diesem die Nachricht zu erhalten, er habe keine Fuchsleber anschaffen können. Nun erinnerte der Genesene sich wohl des früheren Abenteuers und zweifelte nicht, dass die Füchse, deren Wohltäter er geworden, in irgend einer Weise ihre Dankbarkeit hätten beweisen wollen. Die Sache blieb jedoch unaufgeklärt, bis er wieder einmal seinen früheren Wohnort besuchte. Hier sah er den alten Fuchs wieder und rief ihn an. Derselbe kam auch herzu und berichtete, er und seine Frau hätten seiner Zeit zu ihrer tiefen Betrübnis durch andere Füchse erfahren, dass ihr Wohltäter so schwer und gefahrvoll erkrankt sei. Sie hätten es nicht über sich gewinnen können, ihn im Stiche zu lassen und hätten lieber den damals durch ihn befreiten und nur durch ihn am Leben erhaltenen Sprössling geopfert, als dass sie seinen Tod sich zum Vorwurfe hätte machen müssen. Seine Frau aber sei noch opferwilliger gewesen, als er selbst, denn sie habe selber ihr Söhnlein getötet.
Der Mann war tief gerührt und dankte dem Fuchse mit Tränen in den Augen. Er gelobte aber auch, seinen Dank zu betätigen, und stiftete ein schönes Fuchsbildnis beim Tempel der Göttin von Inari, gemäß der alten Sitte, solche Fuchsbilder – die oft in langer Reihe neben den Tempelzugängen stehen – vor den Heiligtümern dieser Gottheit aufzustellen.

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Zitat von lucius annaeus seneca. Olivenernte auf der insel kreta.