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Der Schneemann - eine Weihnachtsgeschichte
Novellen - Kurzgeschichten - BΓΌcher - Daniela Noitz

Es war einmal ein Schneemann, der stand mitten im tief verschneiten Walde und war ganz aus Schnee. Er hatte keine Beine und Augen aus Kohle und sonst nichts und das ist wenig. Aber dafΓΌr war er kalt, furchtbar kalt. Das sagte auch der alte griesgrΓ€mige Eiszapfen von ihm, der in der NΓ€he hing und noch viel kΓ€lter war. „Sie sind kalt!“ ,sagte er ganz vorwurfsvoll zum Schneemann. Der war gekrΓ€nkt. „Sie sind ja auch kalt“ ,antwortete er. „Ja, das ist etwas ganz anderes“ ,sagte der Eiszapfen ΓΌberlegen.
Der Schneemann war so beleidigt, dass er fortgegangen wΓ€re, wenn er Beine gehabt hΓ€tte. Er hatte aber keine Beine und blieb also stehen, doch nahm er sich vor, mit dem unliebenswΓΌrdigen Eiszapfen nicht mehr zu sprechen. Der Eiszapfen hatte unterdessen was anderes entdeckt, was seinen Tadel reizte: ein Wiesel lief ΓΌber den Weg und huschte mit eiligem Guß an den Beiden vorbei. „Sie sind zu lang, viel zu lang!“ ,rief der Eiszapfen hinter ihm her. „Wenn ich so lang wΓ€re, wie Sie, ginge ich nicht auf die Straße!“ – „Sie sind doch auch lang!“ ,knurrte das Wiesel verletzt und erstaunt. „Das ist etwas ganz anderes!“ ,sagte der Eiszapfen mit unverschΓ€mter Sicherheit und knackte dabei ordentlich vor lauter Frost.

Der Schneemann war empΓΆrt ΓΌber diese Art, mit Leuten umzugehen, und wandte sich, soweit ihm das mΓΆglich war, vom Eiszapfen ab. Da lachte was hoch ΓΌber ihm in den Zweigen einer alten schneeverhangenen Tanne. Und wie er hinauf sah, saß ein wunderschΓΆnes, weißes, weiches Schnee-Elfchen oben und schΓΌttelte die langen hΓ€ngenden Haare, dass tausend kleine Schneesternchen herabfielen und dem armen Schneemann gerade auf den Kopf. Das Schnee-Elfchen lachte noch lauter und lustiger, dem Schneemann aber wurde ganz seltsam zu Mute und er wusste gar nicht, was er sagen sollte; und da sagte er schließlich: „Ich weiß nicht, was das ist …“ – „Das ist etwas ganz anderes“ ,hΓΆhnte der Eiszapfen neben ihm. Aber dem Schneemann war so seltsam zu Mute, dass er gar nicht mehr auf den Eiszapfen hΓΆrte, sondern immer hoch ΓΌber sich auf den Tannenbaum sah, in dessen Krone sich das weiße Schnee-Elfchen wiegte und die langen hΓ€ngenden Haare schΓΌttelte, dass tausend kleine Schneesternchen herabfielen.
Der Schneemann wollte unbedingt etwas sagen ΓΌber das eine, von dem er nicht wusste, was es war, und von dem der Eiszapfen sagte, dass es etwas ganz anderes wΓ€re. Er dachte schrecklich lange darΓΌber nach, so dass ihm die Kohlenaugen ordentlich herausstanden vor lauter Gedanken, und schließlich wusste er, was er sagen wollte, und da sagte er: „Schnee-Elfchen im silbernen Mondenschein, du sollst meine Herzallerliebste sein!“ Dann sagte er nichts mehr, denn er hatte das GefΓΌhl, dass nun das Schnee-Elfchen etwas sagen mΓΌsse, das war ja wohl auch nicht unrichtig.
Das Schnee-Elfchen sagte aber nichts, sondern lachte so laut und lustig, dass die alte Tanne, die doch sonst gewiss nicht fΓΌr Bewegung war, missmutig und erstaunt die Zweige schΓΌttelte und sogar vernehmlich knarrte. Da wurde es dem armen, kalten Schneemann so brennend heiß ums Herz, dass er anfing vor lauter brennender Hitze zu schmelzen; und das war nicht schΓΆn. Zuerst schmolz der Kopf, und das ist das Unangenehmste – spΓ€ter geht’s ja leichter. Das Schnee-Elfchen aber saß ruhig hoch oben in der weißen Tannenkrone und wiegte sich und lachte und schΓΌttelte die langen hΓ€ngenden Haare, dass tausend kleine Schneesternchen herab fielen.
Der arme Schneemann schmolz immer weiter und wurde immer kleiner und armseliger und das kam alles von dem brennenden Herzen. Und das ist so weitergegangen und der Schneemann war schon fast kein Schneemann mehr, da ist der heilige Abend gekommen und die Englein haben die goldenen und silbernen Sterne am Himmel geputzt, damit sie schΓΆn glΓ€nzen in der heiligen Nacht.
Und da ist etwas Wunderbares geschehen: Wie das Schnee-Elfchen den Sternenglanz der heiligen Nacht gesehen hat, da ist ihm so seltsam zu Mute geworden und da hat’s mal auf den Schneemann herunter gesehen, der unten stand und schmolz und eigentlich schon so ziemlich zerschmolzen war. Da ist’s dem Schnee-Elfchen so brennend heiß ums Herz geworden, dass es herunter gehuscht ist vom hohen Tann und den Schneemann auf den Mund gekΓΌsst hat, so viel noch davon ΓΌbrig war. Und wie die beiden brennenden Herzen zusammen waren, da sind sie alle beide so schnell geschmolzen, dass sich sogar der Eiszapfen darΓΌber wunderte, so ekelhaft und unverstΓ€ndlich ihm die ganze Sache auch war.
So sind nur die beiden brennenden Herzen nachgeblieben, und die hat die SchneekΓΆnigin geholt und in ihren Kristallpalast gebracht; und da ist’s wunderschΓΆn und der ist ewig und schmilzt auch nicht. Und zu alledem lΓ€uteten die Glocken der heiligen Nacht. Als aber die Glocken lΓ€uteten, ist das Wiesel wieder herausgekommen, weil es so gerne das GlockenlΓ€uten hΓΆrt; und da hat’s gesehen, dass die Beiden weg waren. „Die Beiden sind ja weg“ ,sagte es, „das ist wohl der Weihnachtszauber gewesen.“ – „Ach, das war ja etwas ganz anderes!“ ,sagte der Eiszapfen rΓΌcksichtslos – und das Wiesel verzog sich empΓΆrt in seine Behausung.

Auf die Stelle aber, wo die Beiden geschmolzen waren, fielen tausend und abertausend kleine weiße, weiche Flocken, so dass niemand mehr was von ihnen sehen und sagen konnte. – Nur der Eiszapfen hing noch genau so da, wie er zuerst gehangen hatte. Und der wird auch niemals an einem brennenden Herzen schmelzen und auch gewiss nicht in den Kristallpalast der SchneekΓΆnigin kommen – denn der ist eben etwas ganz anderes!

Manfred KyberΒ 
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